Gera bewirbt sich offiziell als Europäische Kulturhauptstadt 2025

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Ostdeutsche Identität und Transformation zwischen Uranbergbau, Renaturierung, Provinz-Klischee und Großstadt

Am 30. September hat die Stadt die offizielle Bewerbung zur Erlangung des Titels „Kulturhauptstadt Europas 2025“ eingereicht. Der Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei, Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff äußerte hierzu: „Ich begrüße Geras Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025! Als Thüringer Landesregierung drücken wir die Daumen und haben in dieser Woche im Kabinett die finanzielle Unterstützung festgelegt, falls Gera nominiert wird.“ Die ostthüringische Stadt möchte mit einem vielfältig neu zu entdeckenden kulturhistorischen Erbe und Ideen für das Heute und die Zukunft überzeugen und einen neuen „Aufwind“ in der Region bewirken. Die Idee des europäischen Humanismus, der Weltoffenheit und Toleranz sind an wenigen Orten so eng verknüpft mit ökonomischem Fortschritt und Zukunftsfreude wie in Gera. Es gilt, ein neues Kapitel in der an vielen Kapiteln reichen Industrie-, Arbeiter- und Kulturstadt aufzuschlagen. GERA2025 macht sich mit der Kulturhauptstadtbewerbung auf diesen Weg.

Mit kritischem Geschichtsbewusstsein, offener Bürgerbeteiligung und mit modellhaften Zukunftsprojekten stemmt sich Gera gegen das Klischee vom Niedergang der vermeintlich abgehängten Provinz. „Die GERA2025-Bewerbung ist das Ergebnis eines auf vielfältigen Ebenen ausgetragenen Verständigungsprozesses, der ideell bereits 2015 begonnen hat“, reflektiert der leitende Kulturmanager Peter Baumgardt. GERA2025 will den Austausch von Stadt und Region, zwischen Lebensorten, die neue Erlebnisse brauchen. Menschliche Beziehungen und ein Zusammenleben, das im Kleinen zeigt, wie ein großes Europa aussehen kann, sollen gefördert werden. Peter Baumgardt: „Das bedeutet für uns die Europäisierung der ei-genen Geschichte, der eigenen Gegenwart und der eigenen Zukunft in den Fokus zu rücken.“

Zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Kulturhauptstadtprogramms ist von 2021 bis 2026 ein Budget in Höhe von 38 Millionen Euro vorgesehen, das sich aus Mitteln der Stadt, des Freistaats Thüringen, des Bundes und aus weiteren Einnahmen zusammensetzen soll. „Gespräche haben bereits stattgefunden. Die formellen Finanzierungsbeschlüsse sollen nach derzeitiger Planung während der zweiten Bewerbungsphase fallen, wenn wir also auf der „Shortlist“ stehen“, erklärt Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb. „Das Kabinett der Landesregierung hat sich bereits eindeutig pro Gera positioniert, was uns ganz besonders freut.“

Vier geplante Programmschwerpunkte spiegeln diesen Anspruch wider und sollen das Kulturhauptstadtjahr 2025 kulturell und diskursiv prägen:

• Gera als Modell einer industriellen Transformationsregion

• Gera als Modell einer kulturellen Region des Vielfältigen

• Gera als Modell eines politischen Europas der Regionen

• Gera als Modell eines fürsorgenden Gemeinwesens und Stadt für die Jugend

GERA2025 setzt auf proaktives Engagement. Es bietet einen Rahmen für die Teilhabe. Geplant ist, eine entsprechende Strategie zu entwickeln, bei der sich alles um Partizipation drehen wird und um direkte Auswirkungen auf das Alltagsleben aller Menschen. „Die beste Art, Menschen zu mobilisieren, ist durch ihr aktives Engagement.“, betont der Architekt Thomas Laubert als Initiator der Geraer Kulturhauptstadtbewerbung.

„Gera als „Kulturhauptstadt Europas 2025“ setzt ein Signal! Für die Stadt, für die Region und für Europa: Die Menschen in Gera und der Region stehen für die eigene und europäisch vielfältige Suche nach Identität inmitten einer immer globaler und vielfältiger werdenden Welt. Wie finden ländliche Städte und Stadt-Land-Regionen ihre eigene Denk- und Handlungsweise im europäischen Projekt? Welche besonderen Lebensweisen, Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Selbstentwürfe können beispielhaft sein?“, meint Oberbürgermeister Vonarb.

Im Verbund mit den regionalen Partnern, mit Kulturinstitutionen, Kulturschaffenden und Künstlern, Einwohner*innen aller Generationen und ihren Erfahrungen und ihrem generationellen Wissen möchte Gera den Titel dafür nutzen, zukunftsweisend diese Fragen zu beantworten. Dabei steht eine Frage ganz besonders im Vordergrund: Wie können gefühlte Tradition und ungewisse Zukunft in einem Europa der Regionen progressiv miteinander verbunden werden? „GERA2025 ist das Projekt einer neuen Inspiration und will Europa eine neue Facette hinzufügen.“, zeigt sich Dr. Claudia Tittel begeistert, die Vorsitzende der Lenkungs-gruppe GERA2025 und Kuratorin ist.

GERA2025 steht für die Idee der „kooperierenden Region“, wo Stadt und Land sich wechsel-seitig durchdringen. GERA2025 steht für eine in die Zukunft weisende Auseinandersetzung mit den biografischen Erfahrungen vieler Ostdeutscher im Zuge der ökonomischen Transformation nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 und wird einen offenen Diskussionsprozess fördern, der eingefahrene Gewissheiten aufbricht. GERA2025 wird ein Programm gestalten, das sich aus der engen Kooperation der kulturellen und wissenschaftlichen Akteure, der Vereine und Einrichtungen in Stadt und Region entwickelt. GERA2025 steht für neue Visionen, aber auch für eine Kultur des Machbaren. GERA2025 steht für einen Aufwind in Stadt und Region, einen Aufwind für Europa.

Vor dem Hintergrund der prägenden Geschichte der Region – die Wismut und der Uranbergbau – wird sich GERA2025 in zeitgenössischen Projekten unterschiedlicher Formate der ungehemmten Ressourcenausbeutung auf der Welt und den Folgen für Menschen, Klima und Natur widmen. GERA2025 steht damit für eine innovative Auseinandersetzung mit den Ressourcen, Rohstoffen und Materialien, die unsere nahe Zukunft prägen werden. Dabei geht es um eine besondere, von vergangener Lebenswirklichkeit geprägte Sensibilität gegenüber Klimaschutz und Umwelt- wie Friedenspolitik. Genau hier stehen Gera und das Thema Uranabbau im Brennpunkt. Denn die Brisanz der Themen Uranabbau und -nutzung auf der einen Seite, Renaturierung betroffener Bergbaugebiete und daraus resultierender Chancen wie bleibender Risiken andererseits haben nichts an Aktualität verloren. Wo, wenn nicht in Gera sollte man sich aufgefordert fühlen, den Abbau, die Nutzung, Gefahren und Probleme des Uranerzabbaus in einer europäischen und internationalen Dimension zu thematisieren.

Quelle: Stadtverwaltung Gera.

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