Die aktuelle Omikron-Welle hat Erfurt voll erwischt – auch, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz mit aktuell knapp 900 weit unter der des Thüringer Durchschnitts liegt, der die 2000er Marke mittlerweile deutlich überschritten hat.
Doch die vermeintlich recht positive Inzidenz habe nicht viel zu bedeuten, sagt Erfurts Amtsärztin Winnie Melzer. Sie sei einfach unrealistisch. Immer weniger Corona-Fälle würden mit einem PCR-Text bestätigt, weil die Testkapazität der Labore erschöpft sei. Außerdem würden mittlerweile viele Menschen ganz darauf verzichten, ihren positiven Schnelltest durch einen PCR-Test bestätigen zu lassen, was eine hohe Dunkelziffer zur Folge habe. „Unsere Fallzahlen sind nur bedingt verwertbar“, resümiert Melzer.
Erschwerend käme hinzu, dass das Erfurter Gesundheitsamt wegen eigener Corona-Infektionen von Mitarbeitenden bei der Fallübermittlung nicht mehr hinterher käme. „Auch in unserem Amt ist Omikron angekommen.“ Bei der Nachverfolgung kann sich das Gesundheitsamt nur noch auf sensible Bereiche wie Kliniken, Pflegeheime, Kritische Infrastrukturen sowie vulnerablen Gruppen konzentrieren. „Infektionsketten können wir kaum noch unterbrechen“, sagte Melzer.
Mehr Covid-Patienten und weniger Personal in Krankenhäusern
Die Lage in den beiden Erfurter Krankenhäusern spitzt sich wieder zu. Im Katholischen Krankenhaus (KKH) ist es so „dunkel, wie in der schlimmsten Corona-Zeit noch nicht“, beschreibt es der Ärztliche Direktor Dr. Jörg Pertschy. Zirka 150 Betten, das ist etwa ein Drittel des Gesamtbestands, habe „geschlossen“ werden müssen. In der Hochzeit anderer Corona-Wellen sei weniger als die Hälfte der Betten von Schließung betroffen gewesen. Pertschy begründet die aktuelle Situation mit dem akuten Personalmangel im pflegerischen Bereich. Viele Pflegekräfte müssten wegen eigenen Infektionen oder wegen Infektionen ihrer Kinder zuhause bleiben. Das habe auch den Klinikbetrieb Einfluss. So kann beispielsweise die Gefäßchirurgie nur Notfälle behandeln. Im KKH sind zurzeit 19 Betten mit Covid-Patienten belegt.
Im größeren Helios-Klinikum steigen die Covid-Patientenzahlen stetig. Laut Dr. Claudia Höpner liegen aktuell 106 Menschen mit der Virusinfektion in der Klinik, davon sieben auf der Intensivstation. Ähnlich wie im KKH gebe es auch im Helios immer wieder Ausfälle beim Personal, was der Personalplanung große Probleme bereite. Aber: „Wir können unsere Leistungen erbringen. Wir sind arbeitsfähig.“
PCR-Tests „verstopfen“ die Praxen
Vor Erfurter Praxen bilden sich immer längere Schlangen mit Corona-Patienten. Das sagte der niedergelassene Allgemeinmediziner Dr. Michael Sakriss. „Die Infektionssprechstunden rauben uns Zeit und Raum.“ Dringend appelliert der Erfurter Obmann der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen an den Bund, die PCR-Nachweispflicht für Arbeitsbefreiungen und Lohnfortzahlungen zumindest vorübergehend abzuschaffen. Ein positiver qualifizierter Schnelltest müsse dem Arbeitgeber als Nachweis für eine Corona-Infektion genügen, damit die Praxen wieder leerer werden. „Im Moment können wir uns nur zu wenig um die chronisch Kranken und um Besuche in Alten- und Pflegeheimen kümmern, uns fehlt einfach die Zeit“, so Sakriss. Erfurts Bürgermeisterin Anke Hofmann-Domke versprach, dass Problem beim regelmäßigen Austausch mit dem Thüringer Gesundheitsministerium anzusprechen, in der Hoffnung, dass es von dort aus ans zuständige Bundesgesundheitsministerium in Berlin übermittelt wird.
Bürgerhäuser und Seniorenklubs öffnen wieder
Erfurts Bürgermeisterin Anke Hofmann-Domke kündigte an, dass ab sofort wieder Veranstaltungen in den Bürgerhäusern und Seniorenklubs der Stadt geplant und ab dem 2. April über die Bühne gehen können. Details, wie viele Menschen sich dann in geschlossenen Räumen aufhalten dürfen, hängen allerdings von der neuen Landesverordnung ab, die am 2. April veröffentlicht wird. Aus städtischer Sicht ist Voraussetzung für die Nutzung, dass Hygienekonzepte vom jeweiligen Veranstalter eingehalten und Zugangsbeschränkungen selbst kontrolliert werden. In Bürgerhäusern gilt 3G und in Seniorenklubs das strengere 2G+. „Wir haben lange überlegt, weil es mit den Alten eine vulnerable Gruppe betrifft und wir steigende Corona-Zahlen haben“, so Hofmann-Domke. „Aber wenn der Bund das gesellschaftliche Leben wieder hochfahren will, können wir uns nicht verschließen.“ Ebenso wie Amtsärztin Melzer wies die Bürgermeisterin generell darauf hin, dass beispielsweise auch bei wegfallender Maskenpflicht weiterhin an Orten mit vielen Menschen Masken getragen werden können und sollten. „Jeder Bürger muss für sich entscheiden, welchen Risiken setze ich mich aus“, so Hofmann-Domke.
Meldeportal macht Arbeit effizienter
Am Montag hat die Stadtverwaltung Erfurt ein Onlineprotal für die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ gestartet, die bundesweit seit dem 15. März gilt. Auf diesem Portal, das auf der städtischen Internetseite erfurt.de zu finden ist, müssen Arbeitgeber aus dem medizinischen Bereich Mitarbeitende melden, sie sich noch nicht gegen das Coronavirus haben impfen lassen.
Erfurts Amtsärztin Winnie Melzer weist darauf hin, dass auch freiberufliche Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Hebammen durch das Infektionsschutzgesetz zur Meldung verpflichtet sind. Wer das unterlasse, begehe eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bestraft werde. Das Portal ist datenschutzkonform und macht die Arbeit im Gesundheitsamt effizienter und einfacher. Von Hand ausgefüllte Bögen entfallen damit. „Ich bitte alle, das Portal zu nutzen“, appelliert Melzer an die Mitarbeitenden in den betroffenen Berufen.