Anhaltende Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Übelkeit: Was anfangs vielleicht als Migräne vermutet wurde, entpuppte sich bei der 16-jährigen Vanessa als Hirntumor, der in der Nähe des Sprachzentrums lag. Hilfe fand sie bei den Experten des Universitätsklinikums Jena (UKJ). In einer Wach-OP konnte der Tumor vollständig entfernt werden. Es ist damit die erste Wach-OP bei einer so jungen Patientin am UKJ. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Eine sichere und vollständige Entfernung des Tumors war nur als fachübergreifende Wach-OP umsetzbar. Bisher haben wir nur erwachsene Patienten auf diese Weise operiert. Für das ganze interdisziplinäre Team war das nochmal eine ganz neue Herausforderung, und unsere Patientin hat das mit ihren jungen Jahren sehr gut bewältigt“, erklärt Prof. Dr. Christian Senft, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am UKJ, der aktuell in der Focus Ärzteliste 2021 in der Kategorie Neurochirurgie empfohlen wird.
Gemeinsam mit einem 14-köpfigen Team aus Anästhesisten, OP-Pflegekräften, Kinderärzten, Neurologen und Psychologen hat er den mehrstündigen Eingriff durchgeführt und den rund fünf Zentimeter großen Tumor entfernt.
Intensiv auf den Eingriff vorbereitet haben sich insbesondere die Experten der Jenaer Anästhesie. „Unsere Patientin wurde hierfür erst in Narkose versetzt und nachdem die Schädeldecke geöffnet war, aus der Narkose geholt. Im Anästhesiegespräch im Vorfeld des Eingriffs konnten wir Vanessa gezielt auf die doch ungewöhnliche Situation des Wachwerdens während einer Operation vorbereiten.“, erklärt Dr. Michael Winkens, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am UKJ.
„Eine Operation in Vollnarkose hätte ein hohes Risiko für bleibende Sprachstörungen bedeutet. Nur in Form einer Wach-OP konnte die Sprache jederzeit überwacht werden“, ergänzt Senft.
Vanessa litt an einem gutartigen Gangliogliom, an einem Tumor, der aus dem Gehirngewebe selbst entsteht. Gliome gehören laut Senft zu den seltenen Tumoren. „Bei Erwachsenen sind viele Gliome bösartig, bei Kindern sind viele Gliome glücklicherweise gutartig. Ungefähr 200 Tumorpatienten operieren wir jährlich. Bei Kindern ist hier oft die Chance auf Heilung gegeben. Im Fall von Vanessa ist der Tumor wahrscheinlich über mehrere Jahre gewachsen und wurde später, als sich Symptome zeigten, bei einer Kernspintomographie diagnostiziert.“
Das Spezielle an diesem Wach-OP-Eingriff sei auch die intensive psycho-onkologische Begleitung und Betreuung der Patientin und ihrer Familie gewesen. Hier hat die Neurochirurgie Hand in Hand mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Onkologie, und der Klinik für Neurologie gearbeitet. „Schon für einen Erwachsenen stellt eine Wach-OP am Gehirn eine starke psychische Belastung dar. Deshalb kommen Kinder normalerweise nicht für einen solchen Eingriff infrage. Vanessa ist aber geeignet gewesen, nicht nur weil sie eine gewisse Reife mitbrachte, sondern auch extrem interessiert war. Und Dank der hervorragenden psychologischen Begleitung konnten ihr Ängste und Sorgen genommen werden“, so Senft.
Seit der Operation sind mittlerweile zwei Monate vergangen. Der 16-jährigen geht es heute wieder gut, sie besucht wieder die Schule. Senft: „Hätte der Tumor nicht vollständig entfernt werden können, müssten wir ihn unter Umständen nachbehandeln – das ist nun glücklicherweise nicht nötig. Jetzt kann Vanessa sich auf ihre weitere Genesung konzentrieren.“