Erfurt und Nordhausen wollen Katastrophenfall ausrufen

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  • Katastrophenfall angedroht
  • Bausewein fordert allgemeine Impfpflicht
  • Kontaktnachverfolgung stockt
  • Pflegenotstand in Erfurter Kliniken
  • Onlinetest unzulässig

Nordhausen und Erfurt drohen Katastrophenfall an

Der Landkreis Nordhausen und die Landeshauptstadt Erfurt wollen den Katastrophenfall ausrufen, falls das Land Thüringen nicht die Weihnachtsferien vorzieht. Das erklärten heute Landrat Matthias Jendricke und Oberbürgermeister Andreas Bausewein in einem gemeinsamen Pressegespräch im Erfurter Rathaus. Jendricke kündigte die Ausrufung für den 17. Dezember um sieben Uhr morgens bis Ende des Jahres an. Bausewein hielt sich mit einem exakten Datum zurück, erklärte aber, dass die Ferien unbedingt verlängert werden müssten, um Infektionsketten zu unterbrechen. Eine Möglichkeit sei da der Katastrophenfall. Ans Land gerichtet sagte er: „Wenn ihr es nicht macht, machen wir es!“ Beide Kommunalpolitiker kündigen damit an, den letzten Schultag vom 22. Dezember auf den 17. Dezember vorzuziehen. Damit werden drei Schultage (20. bis 22. Dezember) entfallen.

Nur im Katastrophenfall können Kommunen Schulen eigenmächtig schließen. Ansonsten unterliegen die Bildungseinrichtungen der Hoheit des Thüringer Bildungsministeriums. Landrat Jendricke begründete seinen Vorstoß mit der Überlastung der Labore vor Weihnachten. Wenn es kurz vor den Festtagen noch Infektionen an den Schulen mit Quarantäneanordnungen gibt, dann werde die Corona-Lage „aus den Schulen in die Weihnachtsrunden“ getragen, und die Labore wären zwischen den Feiertagen überlastet. Bei einer Schulschließung am 17. Dezember würden betroffene Schülerinnen und Schüler noch bis zum 24. Dezember schaffen, sich mit Antigen- und PCR-Tests „frei zu testen“. Das gebe mehr Sicherheit für die zu erwartenden Familienfeiern. Wie Jendricke sagte, seien im vergangenen Jahr bei deutlich niedrigeren Inzidenzen die Labore rund um Weihnachten bereits überlastet gewesen.

Bausewein fordert Allgemeine Impfpflicht

Oberbürgermeister Andreas Bausewein spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht aus. „Wir kommen nicht um die Impfpflicht herum, auch wenn sie uns in der aktuellen Situation nicht helfen wird. Aber wir brauchen sie, um irgendwann unser normales Leben zurück zu bekommen“, sagte er. Gleichzeitig sprach er sich dafür aus, die Impfquote deutlich zu steigern. Die Landeshauptstadt Erfurt liege mit fast 74,4 Prozent bei den Zweitimpfungen zwar im Freistaat an der Spitze der Statistik. Das reiche aber bei weitem nicht aus.

Seit vergangenem Freitag steht laut Kassenärztlicher Vereinigung Thüringen (KVT) in Erfurt eine tägliche Kapazität von 1.440 Impfungen pro Impfstelle zur Verfügung. Neben den beiden Impfstellen im Helios Klinikum und im Katholischen Krankenhaus impfen auch die Hausarztpraxen. Ab kommendem Montag bieten in der Stadt außerdem fünf Kinderarztpraxen Kinderimpfungen an. Kinderärzte erwarten am Wochenende die Empfehlung von der Ständigen Impfkommission (StiKo) für die Impfung von chronisch kranken Kindern zwischen fünf und 11 Jahren.

Kontaktnachverfolgung dauert 9 bis 10 Tage

Die Kontaktnachverfolgung des Erfurter Gesundheitsamtes hängt mittlerweile neun bis zehn Tage zurück, erklärte Erfurts Bürgermeisterin Anke Hofmann-Domke. Bei so vielen Infektionen kämen die Mitarbeiterinnen nicht mehr hinterher. Auch nach einer personellen Aufstockung schaffe das Gesundheitsamt am Tag nur bis zu 100 Personen. Oft passiere es deshalb, dass der Quarantänebescheid erst am Ende der Quarantänezeit bei den Menschen ankomme. Hofmann-Domke bittet deshalb um Verständnis und um Mithilfe der Betroffenen. Infizierte sollten einen Kontaktbogen mit ihren möglichen Kotankten möglichst zeitnah selbst ausfüllen und ans Gesundheitsamt senden. „Ohne die Eigenverantwortung der Bürgerschaft bekommen wir die Pandemie nicht in den Griff“, sagte sie.

Lage an den Krankenhäusern spitzt sich zu

Während die Zahl der Covid-Patienten in den beiden Erfurter Krankenhäuser weiter auf hohem Niveau, dabei aber stabil ist, verschärft der zunehmende Personalmangel die Situation.

Von „dramatischen Entwicklungen“ spricht Prof. Dr. Thomas Steiner, ärztlicher Direktor des Helios Klinikums. Das Pflegepersonal würde akut wegbrechen, bedingt durch Covid, aber auch andere Erkrankungen. 150 Betten seien geschlossen worden, um Personal freizusetzen. Für das bevorstehende Wochenende befürchtet er, „dass wir weitere Betten vom Netz nehmen“.

Verschärft werde die Situation dadurch, dass viele Patienten eigentlich entlassen werden könnten. Die Alten- oder Pflegeheime würden sie nicht abnehmen, für die Betreuung in häuslicher Umgebung fehle es an ambulanten Pflegekräften. Zudem seien erste Zuverlegungen aus Beatmungspflegeeinrichtungen zu verzeichnen, da auch dort das Pflegepersonal ausfällt.

„All dies wird dazu führen, dass wir kaum noch akute Fälle aufnehmen können und Patienten von uns abgewiesen werden müssen“, so Steiner. Ärzte und OP-Kapazitäten seien indes vorhanden, könnten aber nicht genutzt werden. Derweil sei Flexibilität gefragt. So habe Helios bereits Personal aus den Bereichen IT und Controlling, das eine medizinische Ausbildung hat, umgesetzt und für den Pflegebereich aktiviert. Auch habe man Honorarkräfte gebunden.

Als „kritisch“ bezeichnet Dr. Jörg Pertschy, ärztlicher Direktor des Katholischen Krankenhauses (KKH) die Lage an seinem Haus. Beim Pflegepersonal habe er eine Ausfallquote von 45 Prozent zu beklagen, Durch die vielen geschlossenen Bereiche sei die Leistungsfähigkeit des KKH bei nur noch 33 Prozent. Die Arbeit würde durch die Rahmenbedingungen enorm erschwert, dazu gehören auch die neuen meldepflichtigen Aufgaben, die das Infektionsschutzgesetz auferlegt.

Onlinetests sind unzulässig

Im Laufe der vergangenen Woche wurden die Möglichkeiten für Bürgertestungen in Erfurt nahezu verdoppelt. Aktuell wird eine Kapazität von 47.000 Tests vorgehalten, 24.400 wurde durchgeführt, 325 davon waren positiv.

Da sich die Nachfragen häufen, weist das Gesundheitsamt daraufhin, dass Antigen-Schnelltests mit Online-Überwachung nicht zulässig sind. Entsprechend der Coronavirus-Testverordnung gehören zur Diagnostik von SARS-CoV-2 u. a. ein Antigen-Test zur Eigenanwendung, dessen Durchführung von einem Leistungserbringer vor Ort überwacht werden muss. Online überwachte Tests erfüllen dieses Kriterium nicht, die ausgestellten Zertifikate werden daher nicht anerkannt.

Quelle.

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