Gewalt gegen Mädchen und Frauen sowie alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt sind nach wie vor eine der größten Bedrohungen von Leib und Leben in Deutschland – Bedrohungen, die immer noch viel zu oft ignoriert, übersehen oder nicht ernst genommen werden. Und das, obwohl in Deutschland jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt wird und jeden dritten Tag eine Frau durch die Hand ihres (Ex-)Partners stirbt. „Umso wichtiger ist es, dass wir genau hinschauen und gemeinsam den Kampf gegen diese Gewalt verstärken“, sagt Ministerin Heike Werner anlässlich der Veröffentlichung des ersten Berichtes zur Umsetzung einer Gesamtstrategie gegen alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, der dem Landtag vorgelegt wird. Damit erfüllt die Landesregierung erstmalig einen Landtagsbeschluss vom 6. Mai 2021, jährlich den Stand der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Thüringen zu dokumentieren und zu evaluieren.
„Wir stehen vor einer Mammut-Aufgabe“, stellt die Ministerin im Ergebnis fest. „Neben den bekannten Fällen wird geschätzt, dass auf jeden angezeigten Fall von Gewalt hundert kommen, die im Dunkelfeld geschehen. Besonders gefährdet sind Frauen mit Migrationshintergrund, Frauen mit Behinderungen oder schwangere Frauen. Für diese Aufgabe brauchen wir alle gesellschaftlichen Kräfte. Neben Landesregierung und Landtag sind dies auch zivilgesellschaftliche Vertreterinnen und Vertreter, die im Beirat Gewaltschutz zusammenarbeiten.“
Mit der Verabschiedung des Landeshaushaltes 2022 wurde ein nächster wichtiger Schritt getan. Über eine Million Euro stehen dieses Jahr zur Verfügung, um die Beratungskräfte im Gewaltschutz zu verstärken. Weitere Schritte sind jedoch dringend notwendig, die sich auch im Haushalt der kommenden Jahre widerspiegeln müssen. Ein Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung ist ebenso nötig wie bessere Strukturen, die auch Frauen schützen, die bislang nicht in Thüringer Frauenhäusern aufgenommen werden können. Das sind zum Beispiel Frauen, die ein barrierefreies Frauenhaus, eine Rundum-Betreuung oder Pflege benötigen. Diese Frauen müssen sich derzeit noch anders helfen, um der Gewalt in ihrem eigenen Zuhause zu entfliehen. „Unser Ziel muss sein, dass wir allen Frauen Schutz bieten und sie vor der Gewalt retten können, die sie erleiden müssen – unabhängig von ihrem körperlichen oder psychischen Zustand, von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Einkommen.“
Hintergrund
Die Istanbul-Konvention ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2011, das im Jahr 2017 von Deutschland ratifiziert wurde und 2018 als Gesetz in Kraft getreten ist.
Mit Inkrafttreten des Übereinkommens verpflichtet sich Deutschland auf allen staatlichen Ebenen, alles dafür zu tun, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, Betroffenen Schutz und Unterstützung zu bieten und Gewalt zu verhindern. .
Der Thüringer Landtag hat in seiner 45. Sitzung am 6. Mai 2021 den Beschluss (DS 7/3301: „Istanbul-Konvention in Thüringen umsetzen: Gewalt gegen Frauen und Mädchen und häusliche Gewalt verhüten und bekämpfen“) gefasst, in dem die Landesregierung gebeten wird, eine Gesamtstrategie gegen alle Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt zu erarbeiten und umzusetzen. Insbesondere soll dadurch das Recht auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben von Frauen und Mädchen gesichert sowie Betroffene von häuslicher Gewalt geschützt werden. Dabei wurden mit dem Landtagsbeschluss verschiedenen Eckpunkte für die Erarbeitung dieser Gesamtstrategie vorgegeben.