Weimar: Stadtarchiv mit Erwerbungen und Schenkungen in 2019

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Hinter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtarchivs liegt ein ebenso ereignis- wie arbeitsreiches Jahr. Für Ausstellungen und Veranstaltungen zu den großen Jubiläen – 100 Jahre Nationalversammlung und Bauhaus sowie 30 Jahre Friedliche Revolution – wurden jeweils wichtige Archivalien beigesteuert.

Zur Vervollständigung seiner Sammlungen als historisches Gedächtnis der Stadt konnten auch 2019 wieder wertvolle Erwerbungen und Schenkungen realisiert werden.

Ein Arbeitsschwerpunkt – neben der natürlich obligatorischen Verwahrung der städtischen Verwaltungsakten – bildete die Aufarbeitung und Vervollständigung der Fotosammlung, die sich in den letzten Jahren zu dem beliebtesten und meistbenutzten Archivbestand entwickelt hat. Von besonderem historischem Wert ist ein Fotoalbum, das den Bau der Weimarhalle 1931/32 detailliert dokumentiert. Es stammt von den Architekten Max und Günther Vogeler, die den Bau gemeinsam ausgeführt haben. Ergänzend dazu hat der Nachfahre Jo Vogeler (Frankfurt a.M.) zwei Ordner mit Schriftdokumenten zu Wettbewerb, Vorplanung und Realisierung der damals hochmodernen Weimarhalle sowie Lebens- und Arbeitszeugnisse von Vater und Sohn Vogeler großzügig als Schenkung überlassen.

Hochinteressante Stadtaufnahmen in reizvoller Gegenüberstellung des Zustandes im Abstand von 50 Jahren, also z.B. 1957 gegenüber 2007, hat Frau Heidi Krey geschenkt. In den letzten Jahren konnte das Stadtarchiv große Fotosammlungen als Schenkung erwerben, darunter den wohl ca. 50.000 Bilder umfassenden Vorlass des Fotografen Roland Dressler, der vor allem die Jahre 1970 bis 1990 in umfassender Weise abdeckt. Nun ist als äußerst großzügige Schenkung seitens der Witwe der Nachlass des Ende 2018 verstorbenen namhaften Fotografen Harald Wenzel-Orf hinzugekommen, der etwa in gleichem Umfang städtische Ereignisse ab den 1990er Jahren in ganzer Breite dokumentiert. Hochwillkommen waren die fotografischen Eindrücke, die Wenzel-Orf als Teilnehmer der „Friedlichen Revolution“ in Weimar angefertigt hat. Sie bildeten den Grundstock für fünf öffentliche Aufsteller an den Orten des damaligen Geschehens 1989. Diese seltenen Aufnahmen konnten ergänzt werden durch den Ankauf von Fotos zum gleichen Thema von Klaus Hiltscher, womit insgesamt eine bisher schmerzliche Überlieferungslücke über dieses einschneidende Jahrhundertereignis geschlossen werden konnte.

Mit regelmäßigen Schenkungen bedenkt Bernd Schmidt das Stadtarchiv. Nun überließ er zahlreiche Unterlagen aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Ingenieur im Weimar-Werk. Auch der vormalige Direktor des Weimar-Werkes, Hans Röthig, hat mehrere Ordner mit hochinteressanten Zeugnissen seiner jahrelangen Leitungstätigkeit dem Stadtarchiv überlassen. Beide großzügige Schenkungen ergänzen die vorhandene Sammlung über den einstmals strukturbestimmenden Betrieb Weimars in hervorragender Weise.

Weimar ist bekannt für seine vielen Architektinnen und Architekten, die lokal und landesweit agieren. Erneut sind dem Stadtarchiv Unterlagen aus einem vormals privaten Architektenbüro überlassen worden. Herr Reinhard Pasch hat in seiner langen Berufslaufbahn seit den 1970er Jahren u.a. bei der in Weimar angesiedelten Planungsabteilung des „VEB Gesellschaftsbau Buttstädt“ und im Architekturbüro „Kontur Bauplanung“ viele für Weimar wichtige Objekte baulich betreut, darunter das „Interhotel Belvedere“ (heute „Leonardo“), das vormalige „Haus der Offiziere“, die spätere „Redoute“ in der Ettersburger Straße, die Brauerei Ehringsdorf bis hin zu einer ganzen Reihe von Schulen. Die umfassenden Sanierungsarbeiten sind mit Fotos ausführlich belegt. Außer bei den öffentlichen Bauten bedarf es zur Einsicht in die Unterlagen gleichwohl der Zustimmung der jeweiligen Hausbesitzer.

Die 1834 gegründete Firma Bosse, seit 1896 am Theaterplatz ansässig, gehörte einmal zu den großen Einrichtungshäusern Weimars. Firmenunterlagen hat die Familie schon vor Jahren an das Stadtarchiv abgegeben. Nun hat sie großzügig persönliche Zeugnisse hinzugeschenkt, darunter Lebenserinnerungen und Feldpostbriefe von Walter Bosse, dem letzten Inhaber, dazu Fotos der weitverzweigten Familie. Das bis zum Ersten Weltkrieg international agierende Unternehmen spiegelt ein bedeutendes Kapitel Weimarer Wirtschaftsgeschichte.

Der in Apolda geborene Christian Gottlob Tröbst (1811-1888) verbrachte sechs Jahre als Hauslehrer in Russland, ehe er 1847 zurückkehrte und später die Leitung des neu geschaffenen Realgymnasiums Weimar als erster Direktor übernahm. Sein russisches Tagebuch über die Jahre 1840/1842 sowie Briefe aus den Jahren 1833 bis 1879 sind in Abschriften nunmehr ins Stadtarchiv gekommen, dazu in Kopie eine Reihe von Familienfotos. Frau Pia Ewringmann schenkte den seltenen Druck zu dem von Goethe mitgestalteten großen Maskenzug 1818 zu Ehren der Zarin Maria Feodorowna, der Mutter Maria Pawlownas.

Über die Stadtführerin Bärbel Lau fand eine zweibändige Ortschronik des Neubaugebiets Rosa-Luxemburg-Siedlung/Waldstadt Schöndorf, 1985 bis 1989 verfasst von Georg Nicke, den Weg ins Archiv und ergänzt die bisher nicht allzu reichliche Überlieferung dieses Ortsteils auf willkommene Weise.

Nicht alle Gaben können hier im Einzelnen aufgeführt werden, aber dass das Antiquitätengeschäft Walter in der Marktstraße dem Stadtarchiv immer wieder alte Weimar-Literatur und -Drucke unentgeltlich überlässt, darf schon erwähnt werden.

Eine besonderes „Schmankerl“ sind zwei Gästebücher der Weimarhalle, über die bereits berichtet wurde. Berühmte Chöre, Stars der Rock- und Popszene, Schlagersternchen und Folklore-Ensembles – alles, was in der DDR, den „sozialistischen Bruderstaaten“ und dem „NSW“, dem „Nichtsozialistischen Währungssystem“, einmal Rang und Namen hatte, scheint in der Weimarhalle aufgetreten zu sein. Seit 1974, als die alte Weimarhalle von den sowjetischen Truppen nicht mehr genutzt wurde, bis Mitte der 1990er Jahre zur Schließung, wurden die Gästebücher geführt und erzählen unterhaltsam Musik- und Showgeschichte.

Das Stadtarchiv steht allen offen, die sich für die Geschichte der Stadt Weimar interessieren. Willkommen sind auch Schulklassen, um ihren Geschichtsunterricht mit lokalem Quellenmaterial zu vertiefen.

Wenn auch Sie etwas besitzen, Dokumente, Drucke, Fotos, Pläne, Briefe u.a.m., die Sie für wert halten, dass diese für die Nachwelt dauerhaft gesichert werden, wenden Sie sich bitte an das Stadtarchiv in der Kleinen Teichgasse 6, Telefon 03643/762-532, E-Mail: stadtarchiv@stadtweimar.de.

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