Am 27. April tagt der Stadtrat im Volkshaus. Neben Anfragen aus der Bürgerschaft u.a. zum Abriss von Garagen und von Mitgliedern des Stadtrates u.a. zu Kosten für PSA, Masken und zu Corona-Tests in Kindertagesstätten, der Aussprache zu den „Auswirkungen der demografischen Entwicklung“ für Jena stehen derzeit 33 Punkte auf der Tagesordnung. Auf TOP 31 steht ein Antrag der CDU-Stadtratsfraktion, in der der Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche (FDP) beauftragt wird, „eine Städtepartnerschaft oder Kooperation mit einer geeigneten ukrainischen Stadt zu prüfen und gegebenenfalls in die Wege zu leiten.“ Ob dieser Antrag wegen der Positionierung zum Ende der Sitzung noch im April behandelt werden kann, ist offen.
Derzeit unterhält die Stadt Jena jenseits des Engagements der Bürgerinnen und Bürger oder Vereinen partnerschaftliche Beziehungen zu sieben Städten und Kooperationen zu fünf weiteren Städten. Eine Städtepartnerschaft zwischen den Städten Jena, Erlangen und Wladimir in Russland kam nicht zustande. Jenas Partnerstadt Erlangen pflegt seit 1983 eine Städtepartnerschaft mit der russischen Stadt. In diesem Jahr feiern Erlangen und Jena ihr 35-jähriges Städtepartnerschaftsjubiläum. Die Idee aus Erlangen, ein Städtepartnerschaftsdreieck zu bilden, kam mit Jena (bislang) nicht zustande. Jena und Wladimir unterhalten eine Kooperation, die aktuell ruht.
Seit dem 24. Februar hat sich die Lage in Europa drastisch verändert. Zahlreiche Menschen flohen aus der Ukraine, über 900 sind in Jena angekommen. Neben den Hochschulen und beispielsweise dem Tschernobyl-Verein soll, so wünscht es sich die CDU-Fraktion, eine Stadt in der Ukraine für eine offizielle Verbindung gesucht werden. Offen ist, welcher Art die Beziehung – Kooperation oder Städtepartnerschaft – haben soll, und auch, wie diese Partnerschaft gelebt werden kann. In der Vergangenheit kamen die Vorschläge aus der Bürgerschaft, Kirchgemeinden oder Vereinen, die ihre oftmals intensiven Beziehungen zu anderen Städten auf eine anderen Ebene bekannt machen und damit erweitern wollten.
Hier finden Sie die Beschlussvorlage der CDU-Fraktion im Wortlaut:
Vorbereitung einer Städtepartnerschaft/Kooperation mit der Ukraine
Vorlage: 22/1403-BV
Der Stadtrat beschließt:
001 Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine Städtepartnerschaft oder Kooperation mit einer geeigneten ukrainischen Stadt zu prüfen und ggf. in die Wege zu leiten.
Begründung
In der Ukraine herrscht ein erbitterter Krieg. Es gibt bessere Zeiten, eine Städtepartnerschaft zu diskutieren. Es gibt aber Gründe, dass gerade jetzt die richtige Zeit ist. Bereits vor Kriegsausbruch gab es viele Verbindungen Jenaer Bürgerinnen und Bürger in die Ukraine. Der Verein „Hilfe für die Kinder von Tschernobyl“ ist seit über 30 Jahren aktiv. Kooperationen, Austausch und gemeinsame Studiengänge verbinden die Universität Jena mit Kiew. Viele hundert Studenten und Studentinnen haben ihren Weg nach Jena oder in die Ukraine gefunden. Viele sind geblieben.
Etwa 550 in Jena lebende Personen haben oder hatten die ukrainische Staatsbürgerschaft. Seit Ausbruch des Krieges kamen etwa 800 weitere Ukrainerinnen und Ukrainer nach Jena. Wie lange sie bleiben, ist ungewiss. Gewiss ist, dass die Verbindungen zur Ukraine in den nächsten Monaten zunehmen und Bürger aus der Ukraine eine der größten ausländischen Bevölkerungsgruppe der Stadt darstellen werden.
Die Prüfung einer Partnerschaft oder Kooperation ist getragen von der Hoffnung, aber auch der Überzeugung, dass der Krieg enden wird. Die Ukraine, wie sie ist und wie sie aus dem Krieg heraustreten wird, wird eine europäische sein. Aufgrund der vielfältigen
persönlichen Verbindungen, der räumlichen Nähe und der deutschen Verantwortung für die Vergangenheit, aber auch die Zukunft des europäischen Partnerlandes, sollte die Prüfung einer Partnerschaft ein moralisches Gebot sein. Für Deutsche und Ukrainer stärkt die Suche nach einer Partnerschaft die Zuversicht auf eine gemeinsame Zukunft, inbegriffen ist die Beschäftigung mit Krieg und Krisenbewältigung.
Uns ist bewusst, dass die Verwaltung derzeit vielfältig in Anspruch genommen wird. Für die Diskussion und Entwicklung einer Kooperation ist deshalb die Beteiligung der Zivilgesellschaft ebenso unerlässlich, wie politischer Wille. Wir als CDU-Fraktion werden unseren Beitrag leisten und mitwirken.
Nicht unerwähnt bleiben darf die Kooperation der Stadt Jena mit der Stadt Wladimir in Russland. Diese Kooperation ist gegenwärtig kaum zu pflegen und ob und wann die Kontakte wieder möglich sein werden, ist ungewiss. Wir gehen davon aus, dass diese derzeit ruhende Kooperation nicht abgebrochen wird. Zusätzlich eine Partnerschaft in die Ukraine zu suchen, ist dann kein leichter Akt. Jedoch ist das nicht ohne Beispiel, wie die Suche nach einer israelischen Partnerstadt zusätzlich zu unser Partnerstadt Bejt Jala beweist.
Ein vereintes, freies und friedliches Europa ist das Ziel, aber auch eine Aufgabe, welche die Ukraine einschließt. Dazu kann Jena einen Beitrag leisten.