Thüringens Bildungsminister Helmut Holter hat am Mittwoch, 28. Juni 2023, den Entwurf einer überarbeiteten Thüringer Schulordnung vorgestellt. Die Verordnung umfasst im Wesentlichen überarbeitete Regeln für die Sekundarstufen I und II, also die Klassenstufen 5 bis 12 bzw. 13, und geht nun in die Anhörungsphase. Neben der Einführung des neuen Fachs „Medienbildung und Informatik“ (MBI) stehen Reformen in den Klassenstufen 5 bis 9, in Klassenstufe 10 sowie in der gymnasialen Oberstufe an. Die Thüringer Schulordnung ist nach dem Schulgesetz das zweitwichtigste Grundsatzregularium für das Thüringer Schulwesen.
Bildungsminister Helmut Holter erklärt: „Wir wollen die Bildung in Thüringen moderner machen und den Erfordernissen der Zeit anpassen. Wir harmonisieren das Schulwesen und machen es dadurch durchlässiger, gleichzeitig erhalten wir die Vielfalt der Schularten und Schullaufbahnen. Insbesondere führen wir das Fach „Medienbildung und Informatik“ ab Klasse 5 ein, gleichen annähernd die Stundentafeln der verschiedenen Schularten vor allem in der Jahrgangsstufe 5/6 als Orientierungsphase an, passen die Thüringer Oberstufenregeln an die Erfordernisse des vergleichbaren Abiturs der Zukunft an, stärken die politische Bildung – und belasten dabei Schülerinnen und Schüler nicht zusätzlich, sondern schaffen stattdessen mehr Wahlmöglichkeiten. Die Herausforderung ist komplex und wir stellen uns der sachlichen Diskussion mit guten Begründungen und Argumenten.“
Wesentliche Vorschläge sind im Detail:
Sekundarstufe I
- Einführung eines eigenständigen Fachs „Medienbildung und Informatik“ (MBI) als verpflichtendes Fach ab Klassenstufe 5 in allen allgemein bildenden Schulen mit je zwei Unterrichtswochenstunden pro Doppeljahrgangsstufe
- Schaffung des Doppelfaches „Physik/Astronomie“ ab Klasse 7
- Stärkung des gesellschaftswissenschaftlichen Bereichs in den Bildungsgängen zum Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses durch feste Stundenzuweisung in den Fächern Geschichte und Sozialkunde
- Erhöhung der Unterrichtswochenstunden in der ersten Fremdsprache um eine Stunde in der Doppeljahrgangsstufe 7/8 in allen Schularten der Sekundarstufe I von derzeit sieben auf acht Unterrichtswochenstunden
- kein verpflichtender Besuch der zweiten Fremdsprache in der Klassenstufe 6 an den Schularten, welche die Bildungsgänge zum Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses führen, bei gleichzeitiger Erhaltung der Möglichkeit eine zweite Fremdsprache zu belegen,
- Einführung eines „Werkstattbereichs“ mit dem Schwerpunkt Sprachbildung in der Klassenstufe 6 an den Schularten, welche die Bildungsgänge zum Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses führen, wobei auch die zweite Fremdsprache als paralleles Angebot durch die Schulen vorzuhalten ist
- feste Stundenzuweisung im naturwissenschaftlichen Bereich in allen Bildungsgängen,
- Stärkung des Wahlpflichtbereichs in den Bildungsgängen zum Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses durch feste Stundenzuweisung
- Verortung des Fachs „Wirtschaft-Recht-Technik“ im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich (des Pflichtbereichs),
- Reduzierung der Anzahl der Fächer in der Klassenstufe 10 durch Vorauswahl der Schülerinnen und Schüler im natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Bereich sowie im musisch-künstlerischen Bereich
Sekundarstufe II
- Reduzierung der Anzahl der Fächer in der Einführungsphase und folgend durch Wahlmöglichkeiten im naturwissenschaftlichen, im gesellschaftswissenschaftlichen sowie im musisch-künstlerischen Bereich. Vorgesehen ist die Wahl von zwei Fächern aus Biologie, Chemie und Physik/Astronomie, die Wahl von zwei Fächern aus Sozialkunde, Geografie sowie Wirtschaft und Recht und die Wahl zwischen Musik und Kunst. Die jeweils weitergeführten Fächer erhalten mehr Unterrichtszeit und damit eine fachliche Vertiefung. Die bisher sehr hohe Belastung der Schülerinnen und Schüler in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe wird spürbar reduziert.
- Belegungsverpflichtung von drei Fächern mit erhöhtem Anforderungsniveau aus je einem Aufgabenfeld im Umfang von jeweils fünf Unterrichtswochenstunden
- Unterricht in den Fächern mit grundlegendem Anforderungsniveau in Deutsch, Mathematik, Geschichte, Sozialkunde, Wirtschaft und Recht, Informatik, Biologie, Chemie, Physik und die aus der Sekundarstufe I fortgeführte Fremdsprache dreistündig, die neu einsetzende Fremdsprache vierstündig und die übrigen Fächer zweistündig
- verpflichtende Belegung eines weiteren Fachs aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich (Sozialkunde, Geografie oder Wirtschaft und Recht) in der Qualifikationsphase,
- Festlegung der Anzahl der verpflichtend zu belegenden Halbjahreskurse von bisher 44 auf zukünftig 40
- Reduktion der Einbringungsverpflichtung in die Gesamtqualifikation von bisher 40 auf zukünftig 36 Schulhalbjahresergebnisse
Mit Blick auf die bereits vor der Vorstellung des Entwurfs begonnene Debatte um den Stellenwert der politischen Bildung erklärt Minister Holter: „Die Debatte beruhte bisher nach meiner Wahrnehmung auf teils falschen Grundannahmen. Nun liegen die Fakten in Form des Entwurfs auf dem Tisch und jede und jeder kann sich ein Bild machen. Wer die Details und das Gesamtpaket betrachtet, wird feststellen: Wir stärken nicht nur den gesellschaftswissenschaftlichen Bereich insgesamt, sondern auch die einzelnen Fächer. Und wir geben den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, mehr eigene Wahlentscheidungen zu treffen. Ich leite daraus unbedingt eine Stärkung der Schülerpersönlichkeiten und eine Stärkung der vielfältigen Anliegen der politischen Bildung ab.“
Mit der Einleitung der mehrwöchigen Anhörung wird der Verordnungsprozess vorangetrieben. Danach schließt sich gegebenenfalls eine Überarbeitungs- und Überprüfungsphase innerhalb der Landesregierung an. Laut Plan soll die überarbeitete Schulordnung zum Schuljahr 2024/25 in Kraft treten und dann schrittweise aufwachsend Wirkung entfalten.