Am 7. September 2021 startete das „Wartburg-Experiment – Zwiesprache mit der Lutherbibel“ mit einer Auftaktveranstaltung auf der Wartburg bei Eisenach. Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Eisenach, der Kooperationspartner sowie Schriftstellerin Iris Wolff und ihr Kollege Uwe Kolbe und sprachen am Ort des Geschehens über das anstehende Projekt. Vor 500 Jahren hatte Martin Luther auf der Wartburg mit der Übersetzung des Neuen Testaments begonnen. Kolbe, Wolff und Varatharajah residieren für jeweils einen Monat am geschichtsträchtigen Ort und über-setzen biblische Erzählungen, Themen oder Motive auf literarische Weise.
Luther nannte die Wartburg sein Patmos, nach jener griechischen Insel, auf welche der „Seher“ Johannes verbannt worden war (Offenbarung des Johannes 1, 9). „In eine solche ‚Insel-Situation‘ begeben sich auch unsere drei Autoren, um in der Zwiesprache mit dem Ort, mit dem Reformator und seiner Bibelübersetzung ein eigenes literarisches Kunstwerk ‚zu schauen‘ und zu schreiben“, sagt Dr. Thomas A. Seidel, Vorstandsvorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung beim Projektauftakt in Eisenach. Im Rahmen des Jubiläums ‚2020/21 – 500 Jahre Bibelübersetzung‘ sei das Wartburg-Experiment somit eine einzigartige Chance, dem biblischen Text in jener Jahrhundert-Übersetzung von Martin Luther für unsere Zeit aufzuschließen, so Seidel. Um an das anlassgebende Ereignis vor 500 Jahren anzuknüpfen, haben die drei renommierten ‚Wartburg-Insel-Bewohner‘ heute die ersten Exemplare einer kostbaren Neuausgabe des Faksimiles von Luthers „Septembertestament“ (1522) erhalten. „Mit der von Martin Luther in Rekordzeit erstellten Bibelübersetzung des Neuen Testaments hat die unvergleichliche Erfolgsgeschichte der Bibel in deutscher Sprache begonnen“, ergänzt Michael Jahnke, Programmverantwortlicher in der Deutschen Bibelgesellschaft. Er sei gespannt, wie die drei Autoren mit diesem wirkungsmächtigen Ausgangsstoff umgehen, so Jahnke.
„Die Klinge kreuzen mit dem Teufel wie einst der Mönch Luther im Habit des Ritters – ihm gleich wird es keiner tun. Aber nah bei ihm auf das Wort zu vertrauen wie sein geliebter Evangelist Johannes, das müsste wohl möglich sein,“ so beschreibt der Lyriker Uwe Kolbe seine anstehende Residenzzeit. Er ist der erste, der in unmittelbarer Nähe zu Luthers Schreibstube und mit demselben Blick auf das Thüringer Umland wie einst Martin Luther für einen Monat Quartier auf der Wartburg bezieht.
Dem Heinrich-Mann-Preisträger Kolbe folgen im Oktober Adelbert-von-Chamisso-Preisträger Senthuran Varatharajah und im November Eichendorff-Preisträgerin Iris Wolff.
Für den aus Sri Lanka stammenden, zum Presse-Auftakt aber leider erkrankten Senthuran Varatharajah ist die literarische Auseinandersetzung eng mit seiner Kindheit verknüpft, da er als Kind Deutsch anhand der Bibel gelernt hat. „Die Bibel ist für mich immer noch der erste Text – in jeder Hinsicht. Dieses intime Verhältnis bestimmt auch wesentlich meine schriftstellerische Arbeit: sie kommt immer wieder auf die Bibel zurück, weil meine Sprache aus der Bibel kam.“ Er freue sich darauf, während der Zeit auf der Wartburg das Gespräch mit dem ersten und letzten Text weiterführen zu dürfen, so Varatharajah im Vorfeld des Presse-Auftakts.
Iris Wolff verknüpft ihr schriftstellerisches Schaffen eng mit ihrem Heimatverständnis und betont, dass für sie das Schreiben ohne die Landschaften ihrer ersten Heimat nicht denkbar sei. Zu ihrem Aufenthalt auf der Wartburg sagt die gebürtige Siebenbürgerin: „Im Wort ist der Ort schon angelegt, das eine ist ohne das andere nicht denkbar – von Luthers Bibel-Übersetzung bis heute. Schreibend eröffnen sich Bilder, die ohne Grenzen auskommen, sie verweisen auf geistige Räume, innere Orte. Ich freue mich über die geschenkte Zeit auf der Wartburg, um in Zwiesprache mit beidem zu gehen.“
Die Bedeutung der Wartburg als zentraler Ort des Jubiläums ‚500 Jahre Bibelübersetzung‘ unterstreicht Frau Burghauptmann Dr. Franziska Nentwig und sagt zum Wartburg-Experiment: „Vor 500 Jahren übersetze Martin Luther im Wartburg-Exil das Neue Testament ins Deutsche und prägt damit bis heute unsere Sprache. Die Sprache ist auch das Arbeitsinstrument der Literaten. Die Wartburg freut sich auf das Wartburg-Experiment, in dessen Verlauf renommierte Schriftsteller im inneren Dialog mit dem Original-Schauplatz der Übersetzungsleistung Luthers, der Bibel und ihren eigenen Ansichten und Reflexionen neue künstlerische Werke schaffen.“
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach, Katja Wolf, fügt hinzu: „Eine solche Reminiszenz an die Luthersche Bibelübersetzung hat es bisher nicht gegeben. Sie bereichert in einmaliger Weise die langanhaltenden Bemühungen Eisenachs, 2021 und 2022 das Übersetzungswerk in all seinen Facetten auszuleuchten und zu würdigen. Den hoch angesehenen Autoren, die sich dem inneren Dialog unterziehen werden, gilt deshalb mein herzlicher Dank. Schon jetzt warte ich mit freudiger Spannung auf das, was wir im Herbst 2022 schwarz auf weiß werden nachlesen dürfen.“
Der Aufenthalt der drei Schriftsteller:innen wird medial begleitet und ihre Ergebnisse werden veröffentlicht. Neben einer Auftaktveranstaltung für die Presse sind eine Lesung, besondere Medienformate, ein literarischer Gottesdienst auf der Wartburg und andere Veranstaltungen in Planung. Das Wartburg-Experiment wird realisiert von der Internationalen Martin Luther Stiftung und der Deutschen Bibelgesellschaft in Medienpartnerschaft mit dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik und dem Mitteldeutschen Rundfunk und in Projektpartnerschaft mit der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, dem Kulturbüro der EKD, der Stadt Eisenach, dem Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen, der Stiftung Lutherhaus Eisenach und der Wartburg-Stiftung. Das Wartburg-Experiment wird gefördert vom Land Thüringen.
Autor: Stadt Eisenach.