Leuchtenburg: Neuer Ausstellungsteil zu den Gefangenen auf der Burg

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Geheimnisse aus den Burgakten: Verbotene Liebesbriefe, Ausbruchsversuche und vieles mehr
Neuer Ausstellungsteil gewährt Blick in einen „digitalMirror“ und holt mehr als 5.000 Schicksale der Gefangenen des Leuchtenburger Zuchthauses an Tageslicht

Täglich führten Pfarrer und Zuchthausdirektoren der Leuchtenburger Zuchthausanstalt Buch. Sie notierten sich Name, Geburtsort und -tag der Häftlinge, Grund und Dauer ihrer Verurteilung sowie besondere Vorkommnisse und Details. Ein Scherenschnitt der einst der Liebsten zum Geschenk wurde, befindet sich darunter; ein Dietrich und ein Abschiedsbrief, die Zeugnisse einer spektakulären Flucht, sind ebenfalls aufbewahrt. In den im Altenburger Staatsarchiv lagernden Akten sind die Schicksale von über 5.000 Menschen festgehalten, die von 1724 bis 1871 hinter den dicken Burgmauern der Leuchtenburg festgehalten wurden.  

Tief in die Zuchthauszeit der Leuchtenburg eintauchen und die menschlichen Schicksale dieses düsteren Kapitels der wechselvollen Burggeschichte ans Tageslicht bringen, soll der neue Ausstellungsbereich im Münzturm der Leuchtenburg.

Museale Inhalte digital vermittelt: Digitaler Spiegel ist Zentrum der Ausstellung
Die Ausstellung am authentischen Ort ist ein gewaltiger Schatz für die Burggeschichte: Im Zentrum steht ein Spiegel, eine raumhohe, polygonale Skulptur mit integriertem digitalem Spiegel. Im sog. „digitalMirror“ legt sich ein digitales Bild über das eigene Spiegelbild, das man zunächst beim Betreten des Raumes erblickt. Über den eigenen Gesichtsmerkmalen bilden sich weiße Linien, die nach und nach die Umrisse eines ehemaligen Burgbewohners erkennen lassen. Ob Häftling, unschuldig Inhaftierter oder Insasse des Armenhauses, man selbst wird scheinbar zu dieser Person und erfährt seine Geschichte. Ein neues und tiefes Verständnis der Lebensumstände vergangener Jahrhunderte entsteht.

Aus tausenden wurden exemplarisch fünf Schicksale ausgewählt:

Johann Christlieb Planert (1745 inhaftiert)
Mit nur 17 Jahren wurde er auf der Leuchtenburg eingesperrt. Er musste auf der Baustelle der Zuchthauskapelle arbeiten und wurde vom Zuchthausmeister tot geprügelt.

Susanna Marie Rendler (1740 inhaftiert)
Sie war unschuldig im Zuchthaus, verlor drei Kinder und hatte kein Glück im Leben.

Johann August Rothe (1795 ausgebrochen)
Er war der Ausbrecherkönig der Leuchtenburg, sein Abschiedsbrief ist in den Akten aufbewahrt.

Gustav Adolf Heinke (1811 inhaftiert)
Hat fast sein ganzes Leben in Gefängnissen verbracht, die meiste Zeit auf der Leuchtenburg. Er machte mehrere Fluchtversuche und brach aus der Leuchtenburg aus.

Gottlieb Friedrich Arge (1753 verliebt)
Saß im Zuchthaus wegen Diebstahls ein und führte einen verbotenen Briefwechsel mit einer Zuchthäuslerin. Erhalten sind romantische Liebesbriefe.

Datenbank mit 5.200 Schicksalen; ein Mammutprojekt für die Forschung
In der Ausstellung ermöglicht eine Datenbank den Zugang zu sämtlichen auf der Burg in dieser Zeit Inhaftierten. Die Gäste haben Zugriff auf diese nicht nur für die Familienforschung und die Burggeschichte interessanten Daten. Per Suchalgorythmen erschließbar sind Namen, Herkunftsorte, Straftaten und Berufe.
Der Präsentation voraus ging ein Mammutprojekt, das in Kooperation zwischen dem Staatsarchiv Altenburg, verschiedenen Kirchenarchiven, der Stiftung Leuchtenburg sowie der Kulturstiftung des Bundes realisiert wurde. Das Altenburger Staatsarchiv bewahrt tausende Akten aus der Leuchtenburger Zuchthauszeit auf. Seit Januar 2021 werden diese von der Stiftung Leuchtenburg digitalisiert, Mithilfe der Unterstützung des Förderkreises Leuchtenburg von Jens Hild und weiteren Geschichtsaktiven des Saale-Holzlandkreises, wie Franziska Hagner, ausgewertet und erfasst.

Die Leuchtenburg als Zuchthaus
Die Höhenlage der Leuchtenburg ließ ihr im 18. und 19. Jh. eine neue Bestimmung zukommen: Von 1724 bis 1871 war die Leuchtenburg ein landesherrschaftliches Zucht-, Armen- und Irrenhaus. Knapp 5.200 Menschen inhaftierte man in dieser Zeit, vor allem wegen Delikten aus sozialer Not, und verurteilte sie zum Arbeitsdienst. Manufakturen aus dem Umland nutzten die billigen Arbeitskräfte, die sie von der Zuchthausleitung mieten konnten, für die Produktion von Spielzeug, Porzellan, Kleidung, Stoffen und Zigarren.

Der Münzturm der Leuchtenburg
An der historischen Wehrmauer in Richtung Seitenroda liegt der Münzturm, er ist einer der vier im 15. Jh. errichteten Wehrtürme der Leuchtenburg.  Namensgebend für diesen Turm war die Tatsache, dass man darin zu Zuchthauszeiten ein anstaltseigenes Zahlungsmittel prägte. Somit konnten Insassen des Zuchthauses bei Händlern in Kahla Versorgungseinkäufe tätigen, ohne dass sie das Geld für Bestechungszwecke hätten verwenden können. Die Händler tauschten anschließend das „Spielgeld“ gegen Münzen bei der Zuchthausleitung ein. Im Untergeschoss des Turmes erhält man durch originale, einst von den Häftlingen gefertigte Puppenteile aus Porzellan und Spielzeugpferde aus Pappmaschee einen Einblick in den Arbeitsalltag der Häftlinge.
Seit 2005 ist die Ausstellung zum Leuchtenburger Zucht-, Armen- und Irrenhaus im Turm untergebracht. Mit den aktuellen Einbauten hat diese eine digitale Erweiterung erfahren.

Mit dem Programm für digitale Interaktionen „dive.in“ unterstützt die Kulturstiftung des Bundes Kulturinstitutionen bei der Umsetzung von Vorhaben der digitalen und hybriden Vermittlung sowie der Entwicklung innovativer digitaler Anwendungen.

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