Das Jüdisch-Mittelalterliche Erbe in Erfurt gehört seit heute zum Welterbe. Das beschloss das zuständige UNESCO-Komitee soeben auf seiner aktuellen Tagung in Riad, Saudi-Arabien. Die Alte Synagoge, die Mikwe und das Steinerne Haus, ein historisches Wohngebäude, in Thüringens Landeshauptstadt bilden damit die 52. Welterbestätte in Deutschland.
„Die Aufnahme des Jüdisch-Mittelalterlichen Erbes in Erfurt als neue und zweite jüdische Stätte in die Liste des UNESCO-Welterbes leistet einen weiteren, wichtigen Beitrag, die gemeinsamen Wurzeln von Juden und Christen in Deutschland und Europa sichtbar zu machen und für die Zukunft zu bewahren. Die neue Welterbestätte unterstreicht gleichzeitig das Engagement Deutschlands für die Zielsetzungen der UNESCO: Sie fördert das Verständnis für die kulturelle Vielfalt in Deutschland und den gegenseitigen Respekt für das vielschichtige historische Erbe“, erklärt Kerstin Pürschel, Botschafterin Deutschlands bei der UNESCO.
„Die jüdischen Monumente Erfurts waren über Jahrhunderte fast vergessen“, betont die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Maria Böhmer. „Ihre Wiederentdeckung ist ein großes Geschenk! Dass wir erleben dürfen, welche tiefen Wurzeln jüdisches Leben in Deutschland hat, ist der unermüdlichen Arbeit vieler Menschen in Thüringen und darüber hinaus zu verdanken. In der neuen Welterbestätte spiegelt sich die beeindruckende Geschichte der mittelalterlichen Gemeinde mit all ihren Höhen und Tiefen. Sie zeugt vom Zusammenleben jüdischer und christlicher Nachbarn, aber auch von Pogromen und Vertreibung. Ich hoffe, dass die Auszeichnung der UNESCO dazu beiträgt, nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart des jüdischen Erfurts bekannt zu machen“, so Böhmer.
Das jüdische Erbe Erfurts war lange Zeit überbaut und fast vergessen, doch in den letzten Jahrzehnten wurde in Thüringen die vollständige Infrastruktur einer jüdischen mittelalterlichen Gemeinde erschlossen. Die Alte Synagoge gilt heute als eine der ältesten erhaltenen in Europa. Ihre Geschichte lässt sich bis ins späte 11. Jahrhundert zurückverfolgen. Nach einem verheerenden Pogrom im Jahr 1349 wurde das Gotteshaus zuerst als Lager, später als Gastwirtschaft genutzt und überdauerte so die Jahrhunderte, bis es 1988 wiederentdeckt wurde.
Auch die Erfurter Mikwe geriet in Vergessenheit. Ihre älteste Mauer stammt vom Anfang des 12. Jahrhunderts. Als 1452 die zweite jüdische Gemeinde vertrieben wurde, die nach dem Erfurter Pogrom in der Stadt Fuß gefasst hatte, schüttete man das Wasserbecken zu und nutzte das Ritualbad als Keller. Nur einem Zufall war es zu verdanken, dass die Mikwe 2007 wieder zum Vorschein kam. Mit dem Steinernen Haus gehört auch ein Profanbau zum neugekürten Welterbe. Dass in dem um 1200 errichteten Gebäude eine jüdische Familie wohnte, ist nicht an der Architektur zu erkennen, lässt sich aber den mittelalterlichen Steuerlisten entnehmen. Das legt nahe: Jüdische und christliche Familien lebten in Erfurt nicht nur Tür an Tür, sondern teilten auch eine gemeinsame Wohnkultur.