Erfurt: offener Brief des OB zum Thema Landesmuseum an das Land

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Erfurt: offener Brief des OB zum Thema Landesmuseum an das LandAndreas Bausewein wandte sich heute mit einem offenen Brief an die Thüringer Finanzministerin sowie die SPD-Landtagsfraktion und deren kulturpolitischen Sprecher, die sich zuvor kritisch über die Pläne für ein Landesmuseum in Erfurt geäußert haben.

Offener Brief

Sehr geehrte Frau Taubert,
sehr geehrter Herr Hey,
sehr geehrter Herr Dr. Hartung,

mit Verwunderung habe ich die Reaktion von Ihnen zu den Plänen für ein Landesmuseum in Erfurt zur Kenntnis genommen.

Man kann freilich immer Gründe finden, gegen etwas Neues, Großes und sicher auch Gewagtes zu argumentieren. Ein Landesmuseum auf dem Petersberg ist etwas Großes. Aber es ist im Gegensatz dazu ausgesprochen kleinmütig, die Verlustängste in Weimar zu schüren. Als ginge es darum, der Stadt ihre Schätze zu entreißen und ins ungeliebte Erfurt zu verbringen.

Der weit überwiegende Teil der Sammlungsgegenstände des Museums für Ur- und Frühgeschichte bezieht sich auf die gesamte Region. Deshalb gilt diese Sammlung – bis auf die untrennbar mit Weimar verbundenen Exponate – als Kernbestand einer neuen, weit über die Ur- und Frühgeschichte hinausgehenden Museumsidee für den Petersberg und damit für ganz Thüringen.

Die Landeshauptstadt Erfurt repräsentiert Thüringen, das als Land und Region mehr ist als die Summe seiner Residenzen. Erfurt beansprucht eine kulturelle Funktion für dieses Land, und es findet diese in einer landesgeschichtlichen Erzählung, die im Übrigen deutlich über die Anordnung historischer Artefakte hinausgeht. Wir sprechen nicht von der Umsiedlung eines Museums, sondern über eine neue, zeitgemäße Museumsidee. Geschichte soll erlebbar gemacht werden, inszeniert und spielerisch vermittelt. Dafür gibt es erste Weichenstellungen, die die weitere Arbeitsrichtung vorgeben.

Der Petersberg soll auch nicht auf Krampf musealisiert werden, sondern er verkörpert bereits heute einen zentralen historischen Ort für Thüringen: Vermutlich schon vor Jahrtausenden war er Siedlungs- und Fluchtstätte, ein Kultort, vermutlich Kaiserpfalz und später Sitz eines bedeutenden Klosters. Schließlich gab ihm der Festungsbau seine heutige Anmutung und exponiert ihn als kulturell mehrfach überformten und für eine regionale Erzählung aufgeladenen Ort. Nicht zuletzt haben wir mit der Peterskirche ein herausragendes romanisches Baudenkmal aus dem frühen 12. Jahrhundert, dessen Nutzungsgeschichte Brüche, aber auch Schönheiten vorweist.

In Verbindung mit der Defensionskaserne ergibt sich ein spannendes Ensemble, das geradezu nach einer kulturgeschichtlichen Erzählung verlangt, um sich entfalten zu können. Kulturgeschichte besteht aus Widersprüchen und Gegensätzen, sie bedeutet nicht Harmonie. Genau das zeigt uns der Petersberg, der die Menschen anlockt.

In der Debatte wird geflissentlich außer Acht gelassen, dass es sehr wohl wirtschaftliche Erwägungen gibt und Erfurt die günstigere Variante eines Landesmuseums ermöglicht: Es geht nämlich auch um die Zusammenführung des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie an einem Standort, und zwar mit Depots und Laboren, die heute verstreut sind. Dass diese Strukturpolitik auch die museale Präsentation in Weimar berührt, ist legitim und auch kein Desaster, zumal der Standort in Weimar kaum räumliches Entwicklungspotential aufweist.

Die Landeshauptstadt Erfurt stellt sich hinter die Pläne des Landes, auf dem Petersberg ein Landesmuseum zu errichten. Sie will im kommenden Jahr ein Museumsentwicklungskonzept in Auftrag geben, das auch auf die Auswirkungen des Landesmuseums Bezug nimmt und die kommunale Angebotskulisse profiliert.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Bausewein

Quelle

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