Thüringer Forschungspreis 2021 geht nach Jena und Weimar

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Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie der Bauhaus-Universität Weimar erhalten den diesjährigen Thüringer Forschungspreis und ein Preisgeld von insgesamt 50.000 Euro. „Corona zeigt uns deutlich, wie wichtig exzellente Forschung ist – und das nicht nur in Bezug auf medizinischen Fortschritt. Deshalb ist es gerade in diesen schwierigen Zeiten wichtig, die Leistungen unserer Forschungseinrichtungen und Hochschulen öffentlich zu würdigen“, betonte Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee heute im Rahmen der virtuellen Preisverleihung.

„Unsere Gesellschaft insgesamt hängt ab von der Verlässlichkeit wissenschaftlicher Analysen und der Wirksamkeit der Problemlösungen, die die Wissenschaft entwickelt“, so Tiefensee weiter. Das Wissenschaftsministerium investiert deshalb allein im laufenden Jahr insgesamt rund 761 Millionen Euro in die Förderung von Hochschulen (496 Mio. Euro) und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (128 Mio. Euro), wissenschaftlichen Projekten (69 Mio. Euro) sowie den Hochschulbau (68 Mio. Euro). „Das Geld ist gut angelegt, denn die hohe Qualität der Forschung stellen auch in diesem Jahr wieder alle Einreichungen zum Forschungspreis unter Beweis.“

Die neun zum Wettbewerb eingereichten Vorschläge decken ein breites Forschungsspektrum ab: Von Software-Entwicklungen und Photovoltaikmodulen, über Keramik-Zahnimplantate, Quantentechnologie, Forschung zu gesundem Leben bis hin zum Bereich der Mikrobiologie. Aus Ihnen hat die Jury drei Preisträger bestimmt: einen in der Kategorie „Grundlagenforschung“ und zwei in der Kategorie „Angewandte Forschung“.   


Grundlagenforschung:
Der Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Grundlagenforschung“ und ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro gehen an Prof. Dr. Klaus Dörre und Prof. Dr. Hartmut Rosa von der FSU Jena sowie Prof. Dr. Stephan Lessenich von der LMU München für ihre Forschungen zum Thema „Postwachstumsgesellschaften“.

Die Professoren Klaus Dörre, Stephan Lessenich und Hartmut Rosa sind die Initiatoren der DFG-Kollegforschungsgruppe „Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung. Zur (De-)Stabilisierung moderner Wachstumsgesellschaften“. Die Soziologen untersuchen die strukturellen Wachstumszwänge moderner Gesellschaften, um anschließend in experimentellen Verfahren potentielle Alternativen auszuloten. Die Forschungsleistung des Kollegs besteht vor allem darin, die sozialen Mechanismen eines „Immer mehr und nie genug“ systematisch zu untersuchen. Ihre zentrale Arbeitsthese lautet: Moderne kapitalistische Gesellschaften, die sich nur durch rasches, permanentes Wachstum stabilisieren können, sind in eine langwierige und historisch neuartige ökologisch-ökonomische Zangenkrise geraten. Über die Grenzen des Wachstums wird zwar seit langem diskutiert, jedoch ist neu, dass der Transformationsdruck mittlerweile die nationalen Wirtschaftsmodelle und mit ihnen auch den Alltag der Menschen erreicht hat. Die frühindustrialisierten Länder werden durch Ziele wie das einer vollständigen Dekarbonisierung der Wirtschaft bis 2050 zu dramatischen Veränderungen ihrer Produktions- und Lebensweisen gezwungen. Dank der Arbeit des Kollegs weiß man heute nicht nur in der Soziologie: Wirtschaftswachstum, das auf hohem Energie- und Ressourcenverbrauch und steigenden Emissionen beruht, ist Teil des Problems, nicht seiner Lösung. Vor allem aber ist nun bekannt, welche ökonomischen, sozialen und kulturellen Wachstumstreiber wirken.


Angewandte Forschung:
Ein Forschungspreis in der Kategorie der „Angewandten Forschung“ und ein Preisgeld in Höhe von 12.500 Euro gehen an Prof. Dr.-Ing. Conrad Völker, Dr.-Ing. Hayder Alsaad, Lia Becher und Amayu Wakoya von der Bauhaus-Universität Weimar für ihre Forschungsarbeit „Optische Schlierenverfahren zur Visualisierung von Raumluftströmungen“.

Was passiert, wenn wir husten? Wie weit reicht die Atemluft in den Raum? Und: Wirkt das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes? Für das menschliche Auge Unsichtbares ist oft nur schwer zu begreifen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist dieses Grundprinzip der Forschung jedoch aktueller denn je. Häufig führt der Blick über den Tellerrand zu Fortschritt und Innovation. Die Forschungsarbeiten an der Professur Bauphysik der Bauhaus-Universität Weimar beweisen, dass dieses Prinzip dort gelebt wird. Mithilfe des in Weimar ausgereiften optischen Schlierenverfahrens werden selbst kleinste Luftströmungen sichtbar. Die warme, feuchte Atemluft hat eine andere Dichte als die kühlere Raumluft, ähnlich wie bei einer Straße im Sommer, wenn die Luft über dem Asphalt flimmert. Beim Schlierenverfahren werden diese Dichteunterschiede in einem Foto oder Videobild sichtbar. Die Methode wird vorwiegend zur Erforschung des Raumklimas eingesetzt. Hierbei ist es das Ziel, die Energieeffizienz von Räumen zu optimieren und individuelle Lösungen zu entwickeln. Im Zuge der Corona-Pandemie entstanden jedoch völlig neue Anwendungsgebiete, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von effizienten Hygiene- und Sicherheitskonzepten leisten sollen.


Ein weiterer Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Angewandten Forschung“ und ein Preisgeld in Höhe von 12.500 Euro gehen an Prof. Dr. Stefan Lorkowski und Dr. Christiane Dawczynski von der FSU Jena, Prof. Dr. Gabriele Stangl und Dr. Toni Meier von der Uni Halle sowie an Prof. Dr. Peggy Braun, Dr. Tobias Höhn und Dr. Claudia Wiacek von der Uni Leipzig für ihre Forschungsarbeit „nutriCARD – Mehr wissen. Besser essen. Gesünder leben.“.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die weltweit häufigste Todesursache; mehr als vier Millionen Menschen sterben jährlich in Europa an deren Folgen. Die Wissenschaftler des Kompetenzclusters für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) Halle-Jena-Leipzig zeigen auf, dass jeder zweite bis dritte vorzeitige Todesfall durch eine ausgewogene Ernährung hätte vermieden werden können. Das vom BMBF geförderte Verbundprojekt nutriCARD hat sich zum Ziel gesetzt, die Ernährungsweise der Bevölkerung umfassend und nachhaltig zu verbessern. Unter der Koordination von Prof. Dr. Stefan Lorkowski arbeiten dafür mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachbereiche der Universitäten Jena, Halle-Wittenberg und Leipzig in Kooperation mit rund 80 außeruniversitären Partnern eng zusammen. Somit wurde ein lebendiges und produktives Netzwerk geschaffen, das die nationale und internationale Sichtbarkeit der Ernährungsforschung im mitteldeutschen Raum erhöht, aber auch mehrere tausend Menschen für eine bessere Ernährung sensibilisiert. NutriCARD verfolgt einen translationalen Ansatz: Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung werden in optimierte Rezepturen von Lebensmitteln und Ernährungskonzepte sowie neue Lebensmittel überführt und mittels innovativer Ansätze in der Kommunikation für Verbraucher verständlich sowie im Alltag nutzbar aufbereitet. Seine Kompetenzen möchte nutriCARD langfristig in einem mitteldeutschen Zentrum für Ernährung und Gesundheit bündeln.


Über den Thüringer Forschungspreis
Mit dem Thüringer Forschungspreis ehrt der Freistaat seit 1995 einmal im Jahr wissenschaftliche Spitzenleistungen der Thüringer Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Mehr als 240 Forscherinnen und Forscher wurden seitdem geehrt. Über die Vergabe entscheidet eine Jury aus anerkannten Wissenschaftlern aus ganz Deutschland. Die exzellentesten Forschungsleistungen von Einzelpersonen oder Forschergruppen in den Kategorien der Grund-lagen- und der angewandten Forschung werden mit einem Preisgeld von insgesamt 50.000 € und dem Forschungspreis-Award prämiert. www.thueringer-forschungspreis.de

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