Thüringen: Forschungspreis 2022 geht nach Jena, Erfurt und Ilmenau

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Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Universität Erfurt sowie der Technischen Universität Ilmenau erhalten den diesjährigen Thüringer Forschungspreis. „Von künstlicher Intelligenz zur Bestimmung von Molekülen und Naturstoffen, über ein Psychogramm der Pandemie, bis hin zur Erforschung von Halbleitergrenzflächen für die nachhaltige Energieversorgung – die diesjährigen Preisträger tragen in mit ihren Projekten auf unterschiedlichste Weise dazu bei, wirtschaftliche wie gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen und die Grundlage für mögliche Lösungen zu schaffen“, betonte Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee. Die virtuelle Preisverleihung sowie Pressefotos unter: www.thueringer-forschungspreis.de

Mehr als ein Drittel aller heute verfügbaren Medikamente basieren auf Naturstoffen, wie sie in zahlreichen Pflanzen, Bakterien und Pilzen vorkommen. Diese Stoffmoleküle zu identifizieren und damit nutzbar zu machen, ist jedoch zeit- und kostenintensiv. Ein Team der Bioinformatik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena gewinnt den diesjährigen Forschungspreis für ihr Verfahren, mit dem sich diese Wirkstoff-Moleküle sehr viel schneller und einfacher identifizieren lassen. „Dieses Projekt, aber auch alle zehn hochkarätigen Bewerbungen verdeutlichen wieder die hohe Qualität der Forschung in Thüringen“, so Tiefensee weiter. Die zum Wettbewerb eingereichten Vorschläge decken ein breites Forschungsspektrum ab. Aus ihnen hat die Jury unter der Leitung von Professor Dieter Brüggemann von der Universität Bayreuth drei Preisträger bestimmt: einen in der Kategorie „Grundlagenforschung“ und zwei in der Kategorie „Angewandte Forschung“.   


Grundlagenforschung:
Der Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Grundlagenforschung“ und ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro gehen an Prof. Dr. Thomas Hannappel, Dr. Agnieszka Paszuk, Dr. Oliver Supplie, M. Sc. Manali Nandy sowie Dr. Peter Kleinschmidt von der Technischen Universität Ilmenau für das Projekt „Entwicklung der kritischen Grenzfläche zwischen III-V-Halbleitern und Silizium für die effiziente Umwandlung von Sonnenenergie in Wasserstoff“.

Die Projektgruppe beschäftigt sich mit Grenzflächen zwischen verschiedenen Halbleitern und Silizium. Das ist wichtig, denn die Struktur dieser Grenzflächen bestimmt maßgeblich, wie wirksam Halbleiter-Bauelemente sind. Wenn man sie beherrscht, lassen sich erhebliche Steigerungen des Wirkungsgrads erzielen. Das Verständnis von III-V-Halbleitern auf Silizium war schon für den Thüringer Nobelpreisträger Herbert Krömer von essentieller Bedeutung. Er hat die Redewendung geprägt „the interface is the device“: die Grenzfläche ist maßgeblich für das gesamte Bauelement. Das Wissen über diese Grenzfläche zwischen den beiden Halbleitern und deren erfolgreicher Einsatz ist also nicht nur für die solare Brennstofferzeugung – die sogenannte künstliche Photosynthese – von höchster Relevanz, sondern für die gesamte Optoelektronik. Die Arbeiten der Forschergruppe zur Entwicklung dieser Grenzfläche haben in den vergangenen Jahren bereits maßgeblich zu Solarzellen-Rekordergebnissen, Netzwerkprojekten, Patenten und einer beachtlichen Anzahl an Veröffentlichungen beigetragen. Dabei wird eine entscheidende Originalität in der Vorgehensweise genutzt: Mit Hilfe sogenannter optischer in situ-Spektroskopie wird die Grenzflächenstruktur während des komplexen Wachstumsprozesses auf atomarer Skala durchleuchtet. Damit gelang es schließlich in einer kürzlich veröffentlichten Weiterentwicklung der III-V/Silizium-Grenzflächenpräparation, eine deutliche Verbesserung der Materialqualität zu erzielen. Dieser Erfolg bildet den Ausgangspunkt für die Entwicklung künftiger, wettbewerbsfähiger Hochleistungs-Bauelemente, insbesondere für die solare Wasserstofferzeugung. Das ist von immenser Bedeutung, denn die energieeffiziente Erzeugung von Wasserstoff ist die wichtigste Grundlage für eine klimaneutrale Wasserstoffwirtschaft.


Angewandte Forschung – Preis I: 
Ein Forschungspreis in der Kategorie der „Angewandten Forschung“ und ein Preisgeld in Höhe von 12.500 Euro gehen an Prof. Dr. Cornelia Betsch, Philipp Sprengholz, Georg Meyer-Hoeven, Sabine Altwein, Frederike Taubert sowie Gbadebo Collins Adeyanju von der Universität Erfurt für das Projekt: „Infektionsschutzverhalten verstehen und verändern“. 

Untersucht wird die Forschungsfrage, welche Rolle menschliches Verhalten bei der Ausbreitung von Infektionskrankheiten spielt. Was Menschen wissen, was sie glauben, wie sie sich schützen – all dies beeinflusst die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, wie zuletzt in der Corona Pandemie deutlich wurde. Aufbauend auf früheren Erkenntnissen hat Prof. Betsch mit ihrem Team an der Universität Erfurt ein regelmäßiges Psychogramm der Corona Pandemie gezeichnet. Im COVID-19 Snapshot Monitoring COSMO wurden über 50.000 Personen befragt. Je nach politischer und gesellschaftlicher Lage wurden die Befragungen so angepasst, dass Einsichten in aktuelle Themen der Pandemiebewältigung möglich wurden. Durch die sofortige online Veröffentlichung aktueller Ergebnisse entwickelte sich das Projekt in Politik und Medien schnell zu einer wichtigen Referenz, um gesellschaftliche Diskussionen und politische Entscheidungen zu unterstützen. Die Ergebnisse wurden in renommierten Fachzeitschriften publiziert und international rezipiert. Zu Beginn der Pandemie wurde z.B. die Frage untersucht, welche psychologischen Folgen eine Maskenpflicht haben und wie sie sich auf unser soziales Handeln auswirken könnte. Auch bei der Einführung von Schnelltests wurde untersucht, wie Gesundheitskommunikation gestaltet werden muss, damit Schnelltests erfolgreich zur Pandemiebewältigung eingesetzt werden können. Mit zahlreichen Arbeiten im Bereich der Impfentscheidung und zu psychologischen Folgen einer Impfpflicht hat Prof. Betsch den deutschen Diskurs zur Corona-Impfung mitbestimmt. Eine Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation ermöglichte es, in etwa 40 Ländern Studien nach diesem Vorbild durchzuführen.

Angewandte Forschung – Preis II:
Ein weiterer Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Angewandten Forschung“ und ein Preisgeld in Höhe von 12.500 Euro gehen an Prof. Dr. Sebastian Böcker, Dr. Kai Dührkop, Dr. Markus Fleischauer, Dr. Marcus Ludwig sowie Martin Hoffmann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena für das Projekt „Künstliche Intelligenz für die Identifikation kleiner Moleküle“.

Kleine Moleküle sind allgegenwärtig: sie machen krank (Umweltforschung) oder gesund (Pharmazie), sie dienen als Bausteine von Proteinen und DNA, und ohne sie ist kein Leben möglich. Ihre strukturelle Vielfalt ist gigantisch. Ihr Nachweis erfolgt üblicherweise durch Massenspektrometrie, doch ist die Interpretation der Daten äußerst komplex. Die Gruppe von Prof. Böcker entwickelt neue Verfahren der künstlichen Intelligenz, aber auch der kombinatorischen Optimierung und des Operations-Research, um diese Datenmengen vergleichbar und zugänglich zu machen. Eine Methode erlaubt es, ähnlich einer Internetsuchmaschine, mit den Daten in einer Strukturdatenbank zu suchen; eine andere, für noch gänzlich unbekannte kleine Moleküle, Stoffklassen zu bestimmen. In enger Zusammenarbeit mit internationalen Fachleuten ist dabei eine nutzerfreundliche Software entstanden, die über Webservices angeboten wird. Mit mehr als 160 Millionen bearbeiteten Anfragen aus 69 Ländern werden diese Services rege genutzt. Die Software SIRIUS wurde 2020 von Nature Methods als „method to watch“ ausgezeichnet. Inzwischen ist an der FSU Jena das Unternehmen Bright Giant GmbH ausgegründet, das kommerzielle Services zu diesen Fragestellungen anbietet.

Über den Thüringer Forschungspreis
Mit dem Thüringer Forschungspreis ehrt der Freistaat seit 1995 einmal im Jahr wissenschaftliche Spitzenleistungen der Thüringer Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Über die Vergabe entscheidet eine Jury aus anerkannten Wissenschaftlern aus ganz Deutschland. Die exzellentesten Forschungsleistungen von Einzelpersonen oder Forschergruppen in den Kategorien der Grund¬lagen- und der angewandten Forschung werden mit einem Preisgeld von insgesamt 50.000 € und dem Forschungspreis-Award prämiert. www.thueringer-forschungspreis.de

Quelle

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