Thüringen: Hochschulen bringen kreative Köpfte nach Thüringen

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Die Hochschulen im Freistaat sorgen für eine Nettozuwanderung von akademischen Fachkräften nach Thüringen. „Zwar startet rund die Hälfte der Thüringer Hochschulabsolventen ihre berufliche Karriere außerhalb des Landes“, sagte Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee heute während der 2. Thüringer Landeswissenschaftskonferenz im Erfurter Augustinerkloster. Andererseits stammen rund zwei Drittel der Studierenden ohnehin von außerhalb Thüringens – 37 Prozent aus West-, 15 Prozent aus Ostdeutschland und 14 Prozent aus dem Ausland. „Das heißt, unter dem Strich gelingt es uns offenbar, kluge Köpfe außerhalb der Landesgrenzen für Thüringen zu gewinnen“, sagte Tiefensee. „Das zeigt, welch enormes Modernisierungs- und Innovationspotential die Hochschulen für unser Land und den Wirtschaftsstandort Thüringen haben.“

Mit dieser Einschätzung bezog sich Tiefensee auch auf einen Vortrag des Arbeitsmarktexperten und Abteilungsleiters im Thüringer Arbeitsministerium, Prof. Dr Michael Behr, in dem dieser den Beitrag der Hochschulen zur Deckung des Fachkräftebedarfs im Freistaat analysiert hatte. Dessen zentrale These: Trotz der schrumpfenden Schulabgängerzahlen sei es den Thüringer Hochschulen seit Mitte der 90er Jahre gelungen, die Zahl der Studierenden erheblich zu steigern und schließlich auf hohem Niveau zu halten. So hatte sich die Zahl der Studienanfänger in Thüringen zwischen 1995 und Ende der 2000er Jahre von 5.800 auf zeitweise mehr als 11.000 nahezu verdoppelt und liegt seitdem konstant bei knapp 10.000 Studienanfängern pro Jahr. Gleichzeitig war die Zahl der Abiturienten im selben Zeitraum von 8.400 auf knapp 6.000 deutlich gefallen.

„Die Hochschulen sind ein starker Attraktor für gut ausgebildete junge Menschen“, so Behr. „Das macht ihre enorme Bedeutung für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Thüringen aus.“ Das gilt um so mehr, als sich das Verhältnis von Studienanfängern aus Thüringen zu solchen von außerhalb Thüringens komplett gedreht hat: Stammten bis etwa zur Jahrtausendwende rund zwei Drittel der Neustudierenden aus dem Freistaat selbst, sind es inzwischen nur noch rund ein Drittel – die überwiegende Mehrheit kommt mittlerweile aus anderen Bundesländern oder dem Ausland zum Studieren nach Thüringen. „Die Hochschulen haben ihre Attraktivität in den vergangenen Jahren also über die Landesgrenzen hinaus in einem wirklich signifikanten Maße gesteigert und so dazu beigetragen, die sinkende Zahl von Schulabgängern mit allgemeiner Hochschulreife zu kompensieren“, so Behr. „Das kann man schon als kleines ‚Thüringer Hochschul-Wunder‘ bezeichnen.“

Dazu beigetragen hat aus Sicht des Wissenschaftsministers nicht zuletzt die jahrelange verlässliche und auskömmliche Hochschulfinanzierung durch das Land. Erst in diesem Monat war die neue „Rahmenvereinbarung V“ unterzeichnet worden, die die Finanzierung und die Entwicklungsziele für die Hochschulen bis 2025 festschreibt. Insgesamt stellt das Land in diesem Zeitraum knapp 2,7 Milliarden Euro für seine Universitäten, Fachhochschulen und die Duale Hochschule bereit – ein kumulierter Aufwuchs um 302 Millionen Euro gegenüber 2020. „Der Mittelaufwuchs von vier Prozent jährlich ist ein klares politisches Bekennt­nis des Landes zum Wissen­schafts­stand­ort Thüringen“, betonte Tiefensee. „Trotz schwieriger Zeiten hat Thüringen mit diesem Kraftakt eine langfristig sichere Perspektive für seine Hochschulen geschaffen.“

Einen Wermutstropfen sieht Arbeitsmarktexperte Behr mit Blick auf die Fachkräftefrage dennoch: „Die Haltequote beim akademischen Nachwuchs könnte noch höher sein, wenn das Beschäftigungssystem im Freistaat insgesamt aufnahmefähiger für Hochschulabsolventen wäre.“ So liegt der Bedarf an Akademikern auf dem Thüringer Arbeitsmarkt bei 14,4 Prozent, im Bundesschnitt bei 18,8 Prozent und in einigen Bundesländern (v.a. den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sowie Hessen) über 20 Prozent. Dies sei insbesondere eine Folge der insgesamt kleinteiligeren Wirtschaftsstruktur Thüringens, in der sich das Fehlen von Firmenhauptsitzen und Forschungsabteilungen auch in diesen Zahlen bemerkbar mache. „Ein langfristiges politisches Handlungsziel besteht also darin, die Akademisierungslücke im Thüringer Beschäftigungssystem zu überwinden und durch Größenwachstum und eine höhere Forschungsintensität der Betriebe zusätzliche Jobs für Hochschulabsolventen zu schaffen.“

Gerade um die Passfähigkeit von Hochschulausbildung und Wirtschaftsstruktur zu verbessern, hat das Wissenschaftsministerium das Thema Fachkräftesicherung in den Mittelpunkt der diesjährigen Sitzung der Landeswissenschaftskonferenz gestellt. „Es muss uns in den nächsten Jahren noch besser gelingen, Wirtschaft und Wissenschaft miteinander zu verzahnen“, sagte Tiefensee. „Die Entwicklung des Hochschulsystems und der Forschungsinfrastruktur dürfen nicht losgelöst von den wirtschaftlichen Herausforderungen betrachtet werden.“

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