Der weltweit erste serienreife Wasserstoff-Brennstoffzellenzug nahmgestern in Thüringen Fahrt auf – mit einer Testfahrt auf der Schwarzatalbahn von Rottenbach nach Katzhütte und zurück. Eine Inbetriebnahme könnte zum Fahrplanwechsel 2021 erfolgen.
Umweltministerin Siegesmund: „Wir wollen in Thüringen klimafreundliche und moderne Mobilität. Dazu passt ein Wasserstoffzug, der komplett durch Erneuerbare Energien angetrieben wird – aus Sonne, Wind und Biomasse. Gerade auf Strecken, die immer noch nicht elektrifiziert sind, kann der oberleitungsfreie Wasserstoffzug punkten. Das ist innovativ und passt zum umweltfreundlichen Tourismus im Schwarzatal.“
Ministerpräsident Bodo Ramelow: „Mit Blick auf die Energiewende und das Ziel der CO2-Reduktion wollen und müssen wir uns mit neuen Antriebstechnologien beschäftigen. Dazu gehört auch der Einsatz von Wasserstoffzügen. Diese Testfahrt und die Machbarkeitsstudie der Bauhaus-Universität Weimar bringen uns neue, zukunftsweisende Erkenntnisse. Darauf freue ich mich und bin im besten Sinne neugierig“
Auf der Schwarzatalbahn könnte ein deutschlandweit bisher einzigartiges Projekt realisiert werden: Der Modellbetrieb einer zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien betriebenen Bahnstrecke, gespeist aus regionaler Energie. Damit könnten nicht nur 630 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Vielmehr weist das Projekt den Weg zum dieselfreien, klimaneutralen Zugbetrieb auf nicht elektrifizierten Strecken. 70 Prozent des rund 1.700 Kilometer langen Streckennetzes sind in Thüringen nicht mit Oberleitung ausgestattet. Die aufwändige und teure Elektrifizierung könnte für Züge mit alternativen Antrieben entfallen.
Die Gesamtkosten für den Einsatz von zwei Wasserstoffzügen auf der Strecke (gleichzeitig im Einsatz) belaufen sich auf etwa 20 Millionen Euro. Davon entfallen rund 10 Millionen Euro auf die Züge, nochmal einmal rund 10 Millionen Euro auf die notwendige Infrastruktur (z.B. Elektrolyseur, Wasserstoff-Trailer, Tankstelle). Die Hälfte der Kosten, etwa 10 Millionen Euro, wären davon EU-Fördermittel (EFRE), der Rest Eigenanteil der Deutschen Bahn AG.
Hintergrund zur Teststrecke:
Für die Auswahl der Schwarzatalbahn sorgte zuvor eine vom Thüringer Umweltministerium beauftragte Machbarkeitsstudie. Darin untersuchten Verkehrs- und Energieexperten der Bauhausuniversität Weimar das nicht elektrifizierte Thüringer Streckennetz nach Kriterien wie Fahrzeiten, Taktung, Fahrgastzahlen und technischer Eignung für Züge mit alternativen Antrieben. Die Bahnstrecke von Rottenbach nach Katzhütte ist gegenwärtig am besten geeignet, so ein Ergebnis der Studie. Der Abschnitt hat eine Gesamtlänge von rund 25 Kilometern und wurde allein im Jahr 2018 von rund 128.000 Fahrgästen genutzt.
Die Weimarer Wissenschaftler haben für die CO2-freie Produktion des nötigen Wasserstoffs bestehende Windparks in den Blick genommen. Elektrische Energie soll vor Ort zur Produktion von Wasserstoff mittel Elektrolyse genutzt werden. Das bietet sich an, weil bis Ende 2022 in Thüringen über 240 Megawatt an alten Windkraftanlagen aus der Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) herausfallen. Damit wäre ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb der Anlagen möglich.
Hintergrund Wasserstoffzug:
Der „Coradia iLint“ ist weltweit der erste Personenzug, in dem eine Wasserstoff-Brennstoffzelle die elektrische Energie für den Antrieb erzeugt. Der komplett emissionsfreie Zug (ein Triebwagen von knapp 60 Meter Länge) ist geräuscharm und gibt lediglich Wasserdampf und Kondenswasser ab. Neuartig ist nicht nur die saubere Energieumwandlung, sondern auch die flexible Speicherung in den Batterien sowie Zusammenspiel zwischen Antriebskraft und verfügbarer Energie. Dank Brennstoffzellenantrieb werden lediglich Wasserdampf und Wasser an die Umgebung abgegeben, die Geräuschemissionen sind im Vergleich zu Dieseltriebwagen gering.
Von Ende Januar bis Mitte Februar 2019 ist der Triebwagen „Coradia iLint“ des französischen Zugbauers „Alstom“ in Deutschland unterwegs. Der Hersteller präsentiert seine einsatzbereite Wasserstofftechnologie in sechs Bundesländern und demonstriert damit eine emissionsfreie Alternative auf nichtelektrifizierten Strecken. Der Wasserstoffzug wurde vom Kompetenzzentrum für Regionalzüge in Salzgitter und vom Kompetenzzentrum für Antriebssysteme im französischen Tarbes gemeinsam entwickelt. Alstom hat seinen Hauptsitz in Frankreich und ist in mehr als 60 Ländern vertreten. Das Unternehmen beschäftigt heute weltweit 34.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.