Thüringer Residenzen sollen Weltkulturerbe werden

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Thüringens höfische Vielfalt könnte Welterbe werden. Der Freistaat strebt mit seiner Kulturlandschaft der Residenzen eine Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste an. Die erste Hürde ist die Aufnahme in die deutsche Vorschlagsliste, die sogenannte Tentativliste. In den vergangenen Monaten hat die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten im Auftrag des Landes und in enger Abstimmung mit dem Thüringer Landeskonservator den Antrag dafür erarbeitet. Ende Oktober will die Landesregierung ihn bei der Kulturministerkonferenz einreichen. Dann beginnt ein Evaluierungsprozess, an dessen Ende eine neue Tentativliste der Länder steht. Ab 2025 wird die Bundesrepublik Deutschland jedes Jahr ein Vorschlag aus dieser Liste dem Welterbekomitee in Paris vorlegen.

Kulturminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff dankt der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, insbesondere den beiden Bearbeiterinnen Dr. Astrid Ackermann und Claudia Schönfeld für die geleistete Arbeit und erklärt: „Mit dem Antrag für die deutsche Tentativliste für die Einschreibung in das UNESCO-Welterbe zeigen wir, dass unsere Thüringer Kulturschätze nicht nur in Deutschland einzigartig sind, sondern auch als Erbe der Menschheit Aufmerksamkeit verdienen. Die Thüringer Residenzkultur ist in ihrer Dichte und Vielfalt herausragend. Thüringen verfügt mit seinen Schlössern, Burgen und Residenzen über ein besonderes kulturhistorisches Erbe. Mit dem Sonderinvestitionsprogramm I haben wir zusammen mit dem Bund einen Sanierungsschub auf den Weg gebracht, der dieses Erbe sichert und bewahrt.“

Im Mittelpunkt des Antrags stehen neun bis 1918 über Jahrhunderte als Regierungssitze genutzte Residenzschlösser verschiedener Dynastien in acht Residenzstädten. Ihre Dichte ist weltweit einzigartig. Nirgendwo sonst gibt es eine polyzentrale Residenzenlandschaft auf so engem Raum, die sich in vergleichbarer Kontinuität erhalten hat. Die strukturelle und funktionale Kontinuität ist an den Bauwerken bis heute ablesbar. Charakteristisch ist die selbstbewusste Integration von Altem in die Erneuerung und Erweiterung der Residenzen. Mittelalterliche Türme, Renaissancebauten, barocke Repräsentationsarchitektur und der Historismus des 19. Jahrhunderts fügen sich zu Bildern gebauter Geschichte. Sie drückten das Alter der Dynastien aus und unterstrichen damit ein wichtiges Argument für die Legitimation fürstlicher Herrschaftsansprüche. Und sie machen den von der Welterbe-Konvention geforderten „außerordentlichen universellen Wert“ (outstanding universal value) aus.

Diese Residenzen bilden den Kern des Antrags: Schloss Heidecksburg in Rudolstadt (Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt), Schloss Sondershausen (Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen), das Obere Schloss in Greiz (Fürsten Reuß Älterer Linie) und das direkt benachbarte Untere Schloss (Fürsten Reuß Jüngerer Linie), das Residenzschloss Weimar (Herzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach), das Residenzschloss Altenburg (Herzöge von Sachsen-Altenburg), Schloss Friedenstein in Gotha (Herzöge von Sachsen-Gotha), Schloss Elisabethenburg in Meiningen (Herzöge von Sachsen-Meiningen) sowie das seit 1920 zu Bayern gehörende Schloss Ehrenburg in Coburg (Herzöge von Sachsen-Coburg).

Die Ursachen für die Entstehung des Thüringer Alleinstellungsmerkmals liegen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Dessen Struktur war von einer engen Verflechtung kleinteiliger Herrschaftsgebiete zahlreicher Dynastien und ihrer Nebenlinien mit jeweils eigenen Residenzen geprägt. Diese mindermächtigen Territorien waren allein militärisch kaum schlagkräftig. Sie konkurrierten vor allem auf kulturellem Gebiet und brachten dabei eine große Vielfalt hervor. Das Ende des Reichs nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803, die napoleonische Zeit und der Wiener Kongress führten fast überall in Deutschland zur Bildung größerer zentralisierter Staatswesen. Nur in Thüringen blieb die Kleinteiligkeit erhalten, die auch durch die Reichsgründung 1871 nicht angetastet wurde.

„Die Bewerbung um das UNESCO-Welterbe ist keineswegs ein Selbstläufer“, erläutert Dr. Doris Fischer, Direktorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. „Deutschland ist auf der Welterbeliste bereits umfangreich vertreten, es steht in der Rangliste an dritter Stelle. Außerdem sind Schlösser sehr stark repräsentiert. Das Pfund, mit dem wir dennoch wuchern können, ist das dichte Netzwerk der fürstlichen Regierungssitze mit außerordentlich großem Originalbestand. Das wollen wir ins Schaufenster stellen. Zu diesen Flaggschiffen gehört jeweils ein Netz von Nebenresidenzen, Jagdschlössern und Sommersitzen, die auf die Hauptresidenzen bezogen sind. Auch sie werden profitieren, wenn die Aufnahme ins Welterbe gelingt.“

Für Zuversicht sorgt das positive Votum eines Expertenkreises, der die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten bei der Erarbeitung beriet und auch den weiteren Prozess begleiten wird. Ihm gehören neben Landeskonservator Holger Reinhardt Welterbe-Experten, Historiker und Kunsthistoriker an.

In den kommenden Jahren werden die Thüringer Staatskanzlei und die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gemeinsam mit den Kommunen einen Kommunikations- und Partizipationsprozess durchlaufen, der die weitere Erarbeitung des Welterbeantrags für die internationale Bewerbung transparent begleiten wird.

Quelle

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