Jena: Werden über 225 Garagen kleine Klimaoasen?

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Gerade jetzt, wenn die Benzin- und Dieselpreise die 2-Euro-Marke längst durchbrochen haben, fragen sich viele, ob sie ihr Auto stehen lassen sollen. Theoretisch ist das machbar, aber, es belastet die Wohngebiete. Zu DDR-Zeiten gab es zahlreiche private Initiativen, Garagen auf städtischem Grund zu errichten. Nach der Wiedervereinigung kam eine neue Gesetzeslage hinzu, viele Garagenbesitzer wurden enteignet und in Jena dem Eigenbetrieb Kommunale Immobilien Jena (KIJ) übertragen. Seit dem wurde nicht mehr viel an der Bausubstanz der DDR-Garagen getan.

Im „Garagenentwicklungskonzept“ (Beschlussvorlage Nr. 16/0928-BV, beschlossen am 26. Oktober 2016) kam der nächste Schritt. Rund die Hälfte der Garagen-Standorte sollte entweder renaturiert, zur Wohnbebauung freigegeben bzw. anderweitig aufgegeben werden. Langfristig sollten etwa 1.145 Garagen (von rund 2.300 Garagen in kommunaler Hand) bis 2030 erhalten werden.

Der damalige Bundestagsabgeordnete Johannes Selle (CDU) machte die Stadtverwaltung auf das Bundesprogramm zur „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ aufmerksam und reichte eine Projektskizze beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ein.“

Mit dem Bundesprogramm sollen konzeptionelle und investive Projekte mit hoher Wirksamkeit für Klimaschutz (CO2-Minderung) und Klimaanpassung, mit hoher fachlicher Qualität, mit überdurchschnittlichem Investitionsvolumen oder mit hohem Innovationspotenzial gefördert werden. Die Investitionen sollen einen Beitrag zur CO2-Minderung und/oder zur Verbesserung des Klimas in urbanen Räumen leisten. Die öffentliche Zugänglichkeit ist daneben eine wesentliche Voraussetzung. Die Bundesmittel aus dem Sondervermögen ‚Energie- und Klimafonds‘ werden im Haushaltsjahr 2021 bewilligt und stehen in den Jahren 2021 bis 2024 zur Verfügung.“, heißt es in der Begründung eines neuen Antrags von Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD), der am Donnerstag im Stadtentwicklungsausschuss und am 23. März im Stadtrat abschließend behandelt werden soll. Recht kurzfristig wurde ein Antrag eingereicht, der „Grüne Klimaoasen im urbanen Stadtraum Jenas“ zum Inhalt hatte. 90 Prozent Förderung winken – allerdings nur bei einer Entsiegelung der Fläche.

Im Zuwendungsbescheid vom 16. Dezember 2021 erfolgte die Auflage, dass ein Stadtratsbeschluss den Nachweis über die Durchführung des Projektes sowie die benötigten Eigenmittel bis zum 15. Februar 2022 vorzulegen sei. Auf einen entsprechenden Antrag wurde die Frist bis zum 5. Mai 2022 verlängert. Die vom Bund geforderten Eigenmittel sind bereits im Beschluss-Nr. 21/0781-BV (Haushaltsplan 2021/2022 der Stadt Jena) enthalten. Nun wurde eine entsprechende Beschlussvorlage (Nr. 22/1322-BV) eingereicht, die nur einen Beschlusspunkt beinhaltet: „001 Der Oberbürgermeister wird beauftragt, das Projekt entsprechend des Fördermittelantrages vom 15.11.2021 und des Zuwendungsbescheids vom 16.12.2021 umzusetzen.“

837.000 Euro soll das Projekt – Rückbau von 227 Garagen – insgesamt kosten. 83.700 Euro beträgt der Eigenanteil, zudem schätzt man etwa 4.000 Euro als jährliche Folgekosten. Es gibt allerdings nicht nur Kosten, die aus dem städtischen Haushalt beglichen werden. Auch die Pächter werden am Abriss der Garagen aus DDR-Zeiten (bis zum 2. Oktober 1990 geschlossene Verträge) mit 50 Prozent beteiligt, wenn diese bis zum 31. Dezember 2022 beendet werden. Sollte der Vertrag später beendet werden, fallen sämtliche Kosten für Abriss und Entsiegelung für die Pächter an.

Die Ziele der Maßnahmen werden in der Beschlussvorlage wie folgt beschrieben:

Im Wehrigt (Lobeda, Flur 6, Flurstück 56/1, 20 Garagen)
Für diese Garagenanlage wurde im Garagenentwicklungskonzept als Entwicklungsperspektive mittelfristiger Erhalt zunächst bis 2019 und Renaturierungsperspektive festgelegt.
Gründe hierfür waren insbesondere die Lage im Außenbereich und im Überschwemmungsgebiet sowie die naheliegenden Biotope wie den nördlich und westlich angrenzenden Weiden-Auwald und das östlich angrenzende Biotop Streuobstwiese. 2019 wurde erneut
bewertet und eine Renaturierungsperspektive ab 2020 festgelegt.
Durch den Rückbau an dieser Stelle können neben der Entsiegelung und Verbesserung als solches Biotope vernetzt werden und erweiterte Funktionen für die Naherholung angeboten werden.

An der Kläranlage (Lobeda, Flur 6, Flurstück 41/4, 155 Garagen)


Für diese Garagenanlage wurde im Garagenentwicklungskonzept als Entwicklungsperspektive mittelfristiger Erhalt zunächst bis 2019 und Renaturierungsperspektive festgelegt.
Gründe hierfür waren insbesondere die Lage im Außenbereich und im Überschwemmungsgebiet sowie die naheliegenden Biotope wie den nördlich und westlich angrenzenden Weiden-Auwald und das östlich angrenzende Biotop Streuobstwiese. 2019 wurde erneut
bewertet und eine Renaturierungsperspektive ab 2023 festgelegt.

In der Gesamtheit wird durch diese Maßnahme wesentlich das Potential der Saaleaue als natürlicher Retentionsraum der Saale verbessert. Durch die Größe dieses Projekts wird auch die Quantität an Grünfläche wesentlich erhöht. Mit dem Projekt wird nicht nur die Qualität der Grünflächen erhöht sondern auch deren Eignung zum Aufenthalt. Dies besteht in enger inhaltlicher Verknüpfung zu den bestehenden Naherholungsmöglichkeiten um die Burgauer Brücke. Ziel ist es auch insbesondere die bestehenden Biotope zu vernetzen und so nicht nur kleinräumig die grüne Infrastruktur zu verbessern.

Am Rödigen (Maua, Flur 4, Flurstück 355/2 und 496/3, 25 Garagen)

Für diese Garagenanlage wurde im Garagenentwicklungskonzept als Entwicklungsperspektive mittelfristiger Erhalt zunächst bis 2019 und Renaturierungsperspektive festgelegt.
Gründe hierfür waren insbesondere die Lage im Außenbereich und im Wasserschutzgebiet III sowie das naheliegende Biotop „Hohlweg“ sowie der Gesamtzustand der Anlage. 2019 wurde erneut bewertet und eine Renaturierungsperspektive ab 2020 festgelegt.
Mit dem Rückbau der Garagen und der Entsiegelung der Fläche soll das bestehende Biotop „schluchtwaldartiger Laubgehölz“ fortgeführt werden und insgesamt ein naturnaher Zustand hergestellt werden. Entlang des vorhandenen Rad- und Wanderwegs sollen Aufenthalts- und Informationsmöglichkeiten geschaffen werden, um so die Naherholung zu verbessern, was zu einer Reduzierung von Verkehr führen soll.

Rutha/Hohlweg (Lobeda, Flur 4, Flurstück 13/3, 23 Garagen)

Für diese Garagenanlage wurde im Garagenentwicklungskonzept als Entwicklungsperspektive mittelfristiger Erhalt zunächst bis 2019 und Renaturierungsperspektive festgelegt.
Gründe hierfür waren insbesondere die Lage im Außenbereich sowie sowie das naheliegende Biotop „Hohlweg“. 2019 wurde erneut bewertet und eine Renaturierungsperspektive ab 2021 festgelegt.
Diese Anlage beinhaltet eine zusätzliche Grundstücksproblematik: Die Garagenanlage umfasst 41 Garagen und diese befinden sich nur zur Hälfte auf städtischen Grund. Hier muss sich also zusätzlich mit dem privaten Eigentümer abgestimmt werden.

Die Anlage befindet sich in einem Hohlweg, welcher von Nord-West nach Süd-Ost führt und auf einer Länge von etwa 170 m ca. 14 m an Höhe verliert und im weiteren geradlinigen und abschüssigen Verlauf bis zum Dorf Rutha führt. Vor allem mit Blick auf die Zunahme von Starkregenereignissen ist daher eine Entsiegelung hinsichtlich der Versickerungsfähigkeit von besonderer Bedeutung. Inwieweit zusätzlich die Anlage von z.B. Versickerungsmulden sinnvoll ist, wird die weitere Planung aufzeigen. Grundsätzlich wird der Rückbau der Gebäude für eine Verbesserung der Qualität des vorhandenen Grüns beitragen. Durch neue Pflanzungen soll die Biodiversität gesteigert werden. Zusätzlich sollen am zu erhaltenden Weg Aufenthaltsmöglichkeiten in Form von Bänken oder Picknickmöglichkeiten geschaffen werden. Dies geschieht vor allem im Hinblick auf die Mitarbeiter des Gewerbegebietes JenA4, denen hier ein Aufenthalt im freien ermöglicht werden soll.

Am Steinbach (Löbstedt, Flur 1, Flurstück 63/3, 4 Garagen)

Für diese Garagenanlage wurde im Garagenentwicklungskonzept als Entwicklungsperspektive mittelfristiger Erhalt zunächst bis 2019 und Renaturierungsperspektive festgelegt.
Gründe hierfür waren insbesondere der unterdurchschnittliche Zustand der Garagen als städtebaulicher Missstand und eine angestrebte Integration der Fläche in die Grünanlage. 2019 wurde erneut bewertet und eine Neubewertung bis 2021 festgelegt. Die Neubewertung in 2021 hat ergeben, dass der Rückbau der Garagen im Zuge von Klimaanpassungsmaßnahmen forciert werden soll.

Hier werden lediglich vier Garagen rückgebaut, die quantitative Steigerung der Grünfläche ist daher nicht so hoch. Gesteigert werden soll vor allem die qualitative Ausstattung und die Schaffung eines durchgängigen Grünbereichs.

Nachdem Rückbau der Garagen und der versiegelten Erschließungsflächen werden also alle Flächen anschließend naturnah begrünt und mit gewissen, dem Ort angepassten Aufenthaltsqualitäten versehen. Diese urbanen Grünflächen werden dann ein breites Spektrum an Ökosystemleistungen für die Gesellschaft bereitstellen (z. B. Kühlung der innerstädtischer Bereiche, Verbesserung der Luftqualität, Pufferung und zeitverzögerter Abfluss von Niederschlägen bei Starkregenereignissen, Wohlfühloasen für Erholung und Freizeit, stadtökologische Leistungen wie Schaffung von Habitaten). So wird ein Beitrag zur Verbesserung der örtlichen Klima- und Umweltbedingungen geleistet.
Mit der Umsetzung dieser Maßnahme wird ein weiterer Baustein für ein multifunktionales Netzwerk von natürlichen und naturnahen Flächen erreicht, die sinnvoll das bestehende Netz der grünen Infrastruktur ergänzen wird.

1 Kommentar

  1. Die Anpassung an den Klimawandel macht natürlich nur Sinn wenn sie dort erfolgt wo die Klimabelastung am höchsten ist. Das ist der Fall direkt im Zentrum mit seiner dichten Bebauung und der totalen Versiegelung. Der Inselsplatz währe der ideale Standort für eine deutliche Verbesserung des Klimas durch innerstädtisches Grün gewesen. Hier hat man genau das Gegenteil gemacht und eine große Fläche neu versiegelt, überbaut und damit das Stadtklima weiter angeheizt. Die Entsiegelung von Flächen im Außenbereich hat dagegen überhaupt keine Wirkung. Eine ökologische Aufwertung dieser Gebiete kann auch mit deutlich geringeren Kosten und unter Erhalt der Garagen erfolgen.

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