Weimar: So will die Stadtverwaltung ins digitale Zeitalter gehen

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Bald gibt es einen Mängelmelder und ein Bewerberportal
Verwaltung bleibt auch persönlich erreichbar

Bis zu 10.000 E-Mails erreichen die Stadtverwaltung pro Tag. Terminanfragen, Anträge für Baugenehmigungen, Versammlungsanmeldungen und Vieles mehr sind zwar schon lange via Internet möglich. Doch spätestens, wenn gescannte Dokumente wie etwa ein Personalausweis als E-Mail-Anhang mitgeschickt werden oder Formulare nicht direkt am Bildschirm ausgefüllt werden können, treten die technischen Unzulänglichkeiten in der Kommunikation mit der Verwaltung zutage. „Eine digitale Verwaltung muss aus Bürgersicht ihre Leistungen aus einem Guss anbieten“, unterstreicht Christian Adolph, Leiter des Amtes für Zentrale Steuerung und Digitalisierung. „Solange uns per Hand ausgefüllte Formulare in eingescannter Form erreichen, ist das ein Beleg dafür, dass wir unsere Dienstleistungen noch nicht auf dem neuesten technischen Stand anbieten. Das wird sich nun ändern.“

Bis zum Jahresende sollen die meisten der 600 Anliegen und Dienstleistungen, die die Bürgerinnen und Bürger bei der Stadtverwaltung nachfragen können, online angeboten werden. Damit erfüllt die Stadtverwaltung auch das Onlinezugangsgesetz, welches Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen digital über Verwaltungsportale anzubieten.

Standardisierte elektronische Formulare

Statt unstandardisierter E-Mails mit teils erheblichem Rückfragebedarf sollen sich Bürgerinnen und Bürger künftig über Servicekonten registrieren können, vergleichbar mit der privaten Registrierung beim Einkauf im Internet. Die einmalige Registrierung ist für die meisten Verwaltungsleistungen einsetzbar. Diese bietet die Möglichkeit, die Anliegen in Form leicht verständlicher, elektronischer Fragebögen an die Verwaltung zu senden. Im weitergehenden Bearbeitungsprozess erfolgt eine elektronische, datenschutzkonforme und sichere Kommunikation. „Mailnachrichten mit sensiblen personenbezogenen Daten gehören dann hoffentlich der Vergangenheit an. Das ist für alle Beteiligten auch ein wesentlicher Beitrag im Hinblick auf die IT-Sicherheit“, betont Christian Adolph. Auch das E-Payment wird zunehmend eingeführt und soll beispielsweise zur Bezahlung von Ordnungswidrigkeiten möglich sein. Schnell für den Bürger einsehbare Onlineauskünfte zum Bearbeitungsstand seiner angefragten Verwaltungsdienstleistung, etwa bei der Abholung des Personalausweises, ersparen telefonische Auskünfte.

Verwaltung weiterhin persönlich erreichbar

Doch bei aller Digitalisierung: Die Verwaltungsmitarbeitenden bleiben weiterhin persönlich erreichbar. Dafür soll auch eine neue Bürgerhotline dienen, die eine schnelle Weitervermittlung – etwa von Terminvereinbarungen – sicherstellen soll. Für die persönlichen Vorsprachen bei bestimmten Verwaltungsdienstleistungen stehen zur Vorbereitung ergänzend aber auch digitale Hilfsmittel im Vorfeld zur Verfügung, wie zum Beispiel beim digitalen Passbild.

Verwaltungsinterne Prozesse werden angepasst

Voraussetzung für die umfassende Digitalisierung bis zum Jahresende: Die Prozesse der Verwaltung werden teilweise umgekrempelt und angepasst. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Unterstützung durch digitale Werkzeuge. Wenn möglich werden Prozesse automatisiert umgesetzt. Medienbrüche bei der internen Weiterverarbeitung werden vermieden. Ein Beispiel: Die interne Verteilung der täglich ankommenden Postsendungen wird komplett digitalisiert. Eine Bearbeitung erfolgt im Dokumentenmanagementsystem oder in den Fachverfahren. Das spart viele Wege und Zeit und sorgt für klare Bearbeitungsstrukturen.

Mängelmelder und Bewerberportal kommen

„Bis zum Jahresende werden wir alle Hände voll zu tun haben, damit wir unsere digitalen Ziele erfüllen. Neben den schon erwähnten Onlineantragsverfahren oder der E-Payment-Funktion soll auch ein Mängelmelder eingeführt werden. Er soll den Bürgerinnen und Bürgern eine schnelle Reklamation von Missständen ermöglichen“, betont IT-Leiter Christian Adolph. „Statt der bisher teils unübersichtlichen Auflistung der Verwaltungsdienstleistungen auf unserer Homepage soll es einen einfach zu bedienenden Zuständigkeitsfinder als Einstieg auf www.weimar.de geben. Und nicht zuletzt ist heutzutage auch eine digitale Bewerbung Standard, die wir mit einem Bewerberportal umsetzen wollen.“

Fünf Fragen zur Digitalisierung an Christian Adolph, Leiter des Amtes für Zentrale Steuerung und Digitalisierung der Stadtverwaltung Weimar

Arbeitet die Stadtverwaltung noch mit Fax-Geräten?

Ja! Allerdings sind die Zeiten, in denen die Mitarbeitenden am Faxgerät auf den Ausdruck warten, schon lange vorbei. Die Stadtverwaltung erreichen am Tag bis zu 250 Faxnachrichten. Diese werden seit Jahren elektronisch verarbeitet und intern über die E-Mail-Postfächer verteilt. Innerhalb der Verwaltung stehen lediglich drei Faxgeräte für den Notfall bereit.

Wie wichtig bleibt Papier?

Papier wird weiterhin eine Rolle im Arbeitsalltag spielen (z.B. Drucksachen, Urkunden). Nicht alle Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen werden von heute auf morgen digital erreichbar sein. Postsendungen werden somit auf längere Sicht mittels Papier zugestellt.

Was ist mit den Älteren oder anderen Mitbürgern, die analoge Kommunikation bevorzugen?

Die Verwaltung wird und darf sich nicht hinter dem Computer verstecken. Digitale Kommunikation ermöglicht ein nachhaltiges und effizientes Handeln. Die Verwaltung stellt sich hybrid auf, das bedeutet, die Kommunikation wird sowohl digital als auch analog möglich sein. Neben Onlinedienstleistungen (z.B. Mängelmelder) wird eine Bürgerhotline etabliert. Ein persönlicher Kontakt (z.B. für Terminvereinbarungen) wird somit ermöglicht und gebündelt. Die telefonische Erreichbarkeit steht nicht zu Unrecht in der Kritik. Dem Bürger wird zukünftig der digitale Zugang, eine zuverlässige Erreichbarkeit per Telefon und die persönliche Vorsprache zur Verfügung stehen.

Was sind die größten Hürden bei der Umsetzung?

Überspitzt gesagt heißt Digitalisierung nicht, jedem Mitarbeitenden ein Tablet in die Hand zu drücken. Vielmehr kommt es darauf an, wie mit diesen Ressourcen gearbeitet wird. Die Organisation muss sich verändern, der Blick in Richtung Ablauforganisation geschärft werden. Innerhalb der Stadtverwaltung werden ca. 3.500 Prozesse ausgeführt. Diese sind über Jahrzehnte eingeschliffen. Eine Optimierung ist ohne Analyse unter Berücksichtigung auf Automatisierung, Digitalisierung, Medienbrüche und Nachhaltigkeit nicht möglich. Das kostet Zeit. Die Mitarbeitenden müssen im Veränderungsprozess mitgenommen und ausreichend qualifiziert werden. Zudem muss das Land seine Strategie konsequent umsetzen. Jedes Ministerium scheint seine eigene Suppe zu kochen. Es wird viel Geld für Berater ausgegeben, ohne dass etwas Zählbares beim Bürger ankommt.

Wann kommt die Stadtverwaltungs-App?

Eine App ist aktuell nicht in Planung. Für die bis zu 400 Onlineantragsverfahren kommen unterschiedlichste Anwendungen zum Einsatz. Wenn immer möglich werden Basiskomponenten vom Land Thüringen oder des Bundes eingesetzt. Zudem werden eigene Entwicklungen implementiert. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine App eine verkappte Linksammlung ohne erkennbaren Mehrwert. Einstiegspunkt zur digitalen Verwaltung ist die Homepage der Stadt Weimar oder für die meisten Bürgerinnen und Bürger aktuell Google. Der Zuständigkeitsfinder Thüringen wird aktuell eingebunden. Dieser ist direkt aufrufbar und wird zusätzlich in diesem Jahr in die Webseite der Stadtverwaltung integriert.

Zahlen

  • täglich in der Stadtverwaltung eingehende E-Mails: rund 10.000
  • davon Spam: 2.500
  • beliebteste digitale Angebote: Terminvergabe, Online-Anhörung, Urkundenbestellung, Abruf abholbereite Ausweisdokumente
  • Telefonanrufe: bis zu 8.000 Anrufe täglich
  • Posteingang: bis zu 800 Briefsendungen täglich

Quelle.

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